‚Betreuung‘ = Entmündigung
„BETREUUNG“ = erzwungene Stellvertretung = ENTMÜNDIGUNG
Entmündigung heißt heute „Betreuung“. Der Begriff klingt nett, ist aber nicht harmlos, denn er verschweigt das Wesentliche: es geht um rechtliche Stellvertretung.
Klartext: u.U. darf eine gerichtlich bestellte Person in Ihrem Namen über Ihren Aufenthaltsort, Ihre Finanzen und jegliche medizinische Behandlung Ihrer Person entscheiden. Lehnen Sie diese Art der Betreuung ab, kann ein Gericht sie anordnen; auch gegen Ihren Willen. Vorbeugend kann man sich dagegen nur mit einer rechtzeitig vorher erteilten sog. „Vorsorgevollmacht“ schützen. Am besten ist eine Patientenverfügung vom Typ PatVerfü® in die eine Vorsorgevollmacht integriert ist.
Von der im Bundestag herrschenden Großen Koalition und dem Bundesjustizministerium wird versucht, diese erzwungene Stellvertretung zu leugnen und bewusst falsch zu behaupten, die Entmündigung wäre eine „unterstützende Entscheidungsfindung“ und vereinbar mit der Behindertenrechtskonvention, weil der Betreuer Wünsche des Entmündigten berücksichtigen soll. Aber eben nicht muss!
Siehe diesen Bericht im Hessischen Rundfunk vom 7.4.2013:
Die Große Koalition und das Justizministeriums verfolgen inzwischen sogar genau entgegengesetzte Absichten: Zur vermeintlichen Abwehr der Klagen gegen die erzwungene Stellvertretung sollen auf Druck der Betreuer sich diese über eine spezielle Ausbildung qualifizieren. Wenn aber „Betreuung“ nicht mehr ein (stellvertretendes) Wahrnehmen selbstverständlicher Bürgerrechte ist, wie es eben jeder Erwachsene kann – das ist geradezu ein Kennzeichen dafür, dass man ein Erwachsener ist –, sondern ein zertifizierter Ausbildungsberuf werden sollte, dann werden Richter sofort wieder zu der alten Praxis zurückkehren, dass sie das Wohl bestimmen und auf den Willen der betroffenen Person keine Rücksicht mehr genommen wird. Denn die richterliche „Wohl“bestimmung wird dann, wie früher, vom angeblichen „Expertenwissen“ durch die bekannten Gefälligkeitsgutachten von Psychiatern, Sozialarbeitern und vom Gericht beauftragten und diesem hörigen Betreuern abgesichert. Wenn also ein Vorsorgebevollmächtigter deren Meinung (z.B. eine Zwangseinweisung und folterartigen Zwangsbehandlung sei geboten) widersprechen sollte, wird wieder behauptet werden, dass nun angeblich ein gesetzlich im Vordergrund stehendes „Wohl“ des Betroffenen im Mittelpunkt der richterlichen Entscheidung stünde. Zitat § 1897 (4) BGB:
Schlägt der Volljährige eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, so ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Volljährigen nicht zuwiderläuft.
Der Bevollmächtigte würde im Gegensatz zu einem ausgebildeten „Betreuer“ angeblich diesem „Wohl“ zuwiderhandeln, weil er sich an den Willen des Betroffenen hält. Also müsse, so könnten die Richter urteilen, der Bevollmächtigte durch einen ausgebildeten Experten ersetzt werden. Zitat § 1896 (2) BGB:
Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1897 Abs. 3 bezeichneten Personen gehört, oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.
Das seit dem 1.9.2009 mit dem Patientenverfügungsgesetz in Verbindung mit der Vorsorgevollmacht geschaffene Selbstbestimmungsrecht wäre durch die Hintertür wieder zunichte gemacht.
Mit dem Patientenverfügungsgesetz wurde die gesetzliche Einführung der Vorsorgevollmacht aus dem Jahr 1999 vollendet, mit der es erstmals möglich wurde, sich auch in prekärer Lage gegen erzwungene medizinische Behandlungen abzusichern. Der Staat hatte damit seinen Anspruch auf Zwangsbehandlung zumindest punktuell aufgegeben. Auch unvernünftiges Verhalten konnte seitdem durch ein subjektiv bestimmtes Wohl, vor dem gewaltsamen Zugriff ärztlicher »Vernunftshoheit« geschützt werden. Diese »Vernunftshoheit« des Arztes hatte das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 7. Oktober 1981 (2 BvR 1194/80) kritisiert, aber bis zum 1.9.2009 interpretierten die Richter jeden Spielraum so, dass sie den erklärten Willen des Betroffenen brechen konnten. So wurde regelmäßig der Vorrang einer privatautonomen Bevollmächtigung durch eine einschränkende Auslegung des § 1896 Abs. 2 BGB unterlaufen, um Bevollmächtigte, die ärztlich unerwünschte Entscheidungen trafen, durch gerichtsbestimmte Betreuer zu ersetzen. Folgerichtig kam das Berliner Kammergericht in seinen Beschlüssen vom 14.03.2006 (1 W 134/05; 1 W 298/04; 1 W 340/04) und vom 31.10.2006 (1 W 448/04) zu dem Schluss, es sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass dem Willen der Vollmachtgeberin nicht gefolgt werde.
Diese Rechtsprechung wurde durch eine Konstruktion gerechtfertigt, die ein richterlich bestimmtes Wohl dem in der Vollmacht subjektiv bestimmten Wohl entgegensetzte und damit das vom Gesetzgeber eigentlich favorisierte Subsidiaritätsprinzip aushebelte. In der erwähnten Entscheidung bestätigt folgerichtig das Kammergericht einen Beschluss des Berliner Landgerichts vom 8.6.2004 (83 T 128 + 472/03), das die Voraussetzungen für eine „Vorratsbetreuung“ als gegeben ansah, mit der Konsequenz einer über weitere Jahre hinweg aufgezwungenen Bevormundung (mit tödlichem Ende der Betroffenen, die dieser jahrelangen Negierung, Subjekt zu sein, am 10.1.2008 selbst ein gewaltsames Ende setzte).
Der Vorwand der Berufsbetreuer, durch eine Berufsausbildungsordnung usw. die “Betreuungsqualität” steigern zu wollen, ist verlogen, denn es muss zu Klagen über Betreuungen kommen, weil Richter erzwingen können, eine rechtliche Stellvertretung zu erdulden. Umgekehrt würde die Möglichkeit einer jederzeit möglichen Kündigung des Stellvertretungsverhältnisses den Stellvertretenden an den Wunsch und Willen des Stellvertretenen binden, was die notwendige Voraussetzung für ein verständiges Miteinander und eine durch Assistenz unterstützte Entscheidungsfindung ist. Das Verhältnis untereinander bekommt nur dann den Charakter einer – jederzeit kündbaren – Bevollmächtigung. Dann muss sich die Qualität einer Betreuung gegenüber dem “Bevollmächtigenden” beweisen, nicht gegenüber einem Gericht, mag sich das auch noch so wohlwollend wähnen. Ein Gericht könnte dann nur noch eine Betreuung vorschlagen, jedoch nicht mehr erzwingen. Das erst wäre dann tatsächlich eine „unterstützende Entscheidungsfindung“, wie sie in der Behindertenrechtskonvention versprochen wird.
Deshalb lautet unsere Forderung: § 1896 Abs. 1a BGB muss novelliert werden: Der Satz:
“Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden” muss durch diesen Gesetzestext ersetzt werden:
Gegen den erklärten [oder natürlichen] Willen des Volljährigen darf eine Betreuung weder eingerichtet noch aufrechterhalten werden.
PS: Auch das Bundesverfassungsgericht hat den grundrechtsverletzenden Charakter der täuschend „Betreuung“ genannten Entmündigung hervorgehoben, siehe Urteil 1 BvR 184/13 vom 23.3.2016. Höchstrichterlich, und damit für alle deutschen Gerichte bindend, wurde festgestellt, dass das verharmlosend „Betreuungs“recht genannte Vormundschaftsrecht die Grundrechte eines Erwachsenen verletzt. Damit widerspricht nicht nur der Genfer UN-Fachausschuss für die Rechte von Behinderten, sondern auch das BVerfG grundlegend der verlogenen Rhetorik von Regierungen und Vormundschaft-Industrie, das deutsche „Betreuungs“recht wäre konform mit der UN Behindertenrechtskonvention (BRK) und erfülle das Versprechen der BRK einer sog. unterstützende Entscheidungsfindung. Tatsächlich ist es eine mit der BRK unvereinbare sog. ersetzende Entscheidungsfindung und trotz aller Beweihräucherung und Umbenennungen Vormundschaftsrecht geblieben! Zitat aus dem Urteil:
Das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Recht auf freie und selbstbestimmte Entfaltung der Persönlichkeit sichert jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Die Anordnung einer Betreuung beeinträchtigt dieses Recht, sich in eigenverantwortlicher Gestaltung des eigenen Schicksals frei zu entfalten, denn sie weist Dritten zumindest eine rechtliche und tatsächliche Mitverfügungsgewalt bei Entscheidungen im Leben der Betroffenen zu. Die Betreuerin oder der Betreuer entscheiden in den festgelegten Aufgabenkreisen für und anstelle der Betreuten, wobei es auch in höchstpersönlichen Angelegenheiten – wie hier im Bereich der Gesundheitssorge – zu Entscheidungen gegen den ausdrücklichen Willen der Betreuten kommen kann. Die Betreuung kann sich damit nicht nur im Rechtsverkehr beschränkend auswirken, sondern betrifft die Selbstbestimmung der Person insgesamt.
PPS: Und der Bundesgerichtshof hat die stigmatisierende Wirkung einer Betreuerbestellung in seinem Beschluss XII ZB 526/10 vom 9.2.2011 festgestellt, Zitat aus dem Urteil:
Die Einrichtung einer Betreuung hat für den Betroffenen stigmatisierende Wirkung. Mit ihr ist die Einschätzung verbunden, der Betreute könne einen freien Willen nicht bilden. Hierdurch wird das Persönlichkeitsbild des Betroffenen negativ geprägt und beeinträchtigt.