Selbstbestimmung durch PatVerfü?
ANNE SEECK FRAGT RENÉ TALBOT
Ihr wehrt euch gegen Zwangsbehandlungen mit der PatVerfü. Wer braucht sie und was beinhaltet die PatVerfü?
Die PatVerfü® ist eine schlaue Patientenverfügung für ein selbstbestimmtes Leben ohne Zwangspsychiatrie. Alle Erwachsenen, denen ihre Selbstbestimmung bzw. Freiheit lieb ist, sollten eine PatVerfü haben, die von einem breiten Bündnis von Organisationen herausgegeben wird. Die PatVerfü ist zwar nur ein Stück Papier, das praktisch nichts kostet, aber sie kann ärztliche Versuche, gewaltsam festzuhalten und/oder sogar mit Zwang zu behandeln, verhindern. Und zwar so: Jede medizinische Untersuchung kann im Voraus mit einer Patientenverfügung rechtswirksam untersagt werden, weil das so explizit im Patientenverfügungsgesetz steht. In der PatVerfü wird genau detailliert jede der angeblichen „psychische Krankheiten“ (ICD 10: F00 fortlaufend bis F99) verboten zu diagnostizieren, so dass es keinen Interpretationsspielraum mehr gibt, den Richter oder Ärzte nutzen könnten, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Damit ist der primäre Schutz gegen jede zwangspsychiatrische Maßnahme geschaffen, weil alle psychiatrischen Sondergesetze nur für angeblich oder tatsächlich „psychisch Kranke“ gelten. Ohne entsprechende Diagnose gibt es keine „psychisch Kranken“, weil die Behauptung, jemand sei angeblich „psychisch krank“ dann nur eine unbewiesene Unterstellung, eigentlich sogar eine Beleidigung und Verleumdung ist, weil ein Arzt die Unterstellung weder überprüfen noch bestätigen kann, da ihm das durch die PatVerfü gesetzlich verboten ist. Die notwendige Bedingung, um mit Hilfe eines der psychiatrischen Sondergesetze entrechtet werden zu könnten, wird unerfüllbar. Deshalb ist das Motto der PatVerfü:
Geisteskrank? Ihre eigene Entscheidung!
Wann wird die PatVerfü anerkannt?
Da die PatVerfü anhand der Bedingungen des Patientenverfügungsgesetzes (§ 1901a BGB) entworfen wurde, ist sie durch dieses Gesetz vor jedem Gericht und jedem Arzt immer wirksam, wenn sie in sog. „einwilligungsfähigem Zustand“ unterschrieben wurde. Das kann man z.B. durch ein ärztliches Attest zum Zeitpunkt der Unterschrift dokumentieren. Als zusätzlicher Schutz, die zweite Verteidigungslinie, wird in der PatVerfü jede Zwangseinweisung und Zwangsbehandlung untersagt. In einer dritten Verteidigungslinie ist in der PatVerfü eine Vorsorgevollmacht vorgesehen, die es jenseits des Diagnoseverbots unmöglich macht, einen Betreuer gerichtlich aufzuzwingen.
Weiter gilt:
- Eine PatVerfü mit einem Bevollmächtigten zu haben ist besser als eine ohne, zwei Bevollmächtigte sind besser als einer und ab drei Bevollmächtigten wird´s ganz super
- Die PatVerfü bei der Bundesnotarkammer registrieren (kostet unter 20,- €),
- zusätzlich ein ärztliches Attest über Geschäftsfähigkeit besorgen,
- sehr zu empfehlen ist, die PatVerfü zusätzlich bei einem Notar zu beurkunden (nicht nur eine Unterschirftsbeglaubigung!). Gute Tipps und Hinweise dafür bitte hier klicken.
Sobald man seine PatVerfü vorzeigt, die man im Geldbeutel immer bei sich führen sollte, wissen die Ärzte unserer Erfahrung nach genau, was „gespielt“ wird und dass auch kein Richter mehr eine Zwangseinweisung legalisieren kann. Ansonsten sollte man beim Psychiater schweigen, so dass er gar keine diagnostischen Unterstellungen konstruieren kann. Bitte unsere Website www.patverfü.de besuchen, da sind das Formular und viele Tipps und Hinweise zu finden.
Gibt es nicht auch gute Gründe für Zwangseinweisungen? Nämlich wenn das Leben der Betroffenen oder anderer Personen gefährdet ist, also „Selbst- und Fremdgefährdung“?
Konkrete Gefährdungen anderer Personen muss die Polizei abwenden; es wäre nur dann eine medizinische Aufgabe, wenn es um objektiv nachweisbare Viren und Bakterien ginge, also die Seuchengesetze Quarantäne ermöglichten, um deren Verbreitung zu verhindern. Selbst dann ist nur eine Separation, nicht eine Zwangsbehandlung möglich. Die Zwangspsychiatrie täuscht nur „Hilfe“ vor, wo sie tatsächlich Schutzhaft gegen nicht-kriminelle Personen praktiziert. Und bei der Zwangsbehandlung begeht sie sogar Körperverletzung. Das ist die schlimmste Strafe nach der Todesstrafe.
Sich selbst gefährden zu dürfen ist hingegen eine logische Konsequenz des Rechts auf den eigenen Körper. Dieses Recht in Frage zu stellen führt zu der Willkürherrschaft derer, die sich anmaßen, ohne Zustimmung der Betroffenen über deren Körper zu verfügen. Wenn es Hilfe sein soll, muss die angebotene Hilfe auch erwünscht sein, alles andere ist Terror, mag er noch so gut und fürsorglich gemeint sein. Wenn es wirklich gut gemeinter Zwang sein sollte, dann muss aber für die Zwang Ausübenden das Strafgesetzbuch gelten, wenn den so „Geholfenen“ das gar nicht gefallen haben sollte und sie Anzeige erstatten. Es darf per Gesetz keine staatliche Sondergenehmigung für solche Verbrechen geben – den Betroffenen muss die Beurteilung überlassen bleiben, ob solche Übergriffe tatsächlich hilfreich waren, bzw. als heilsam erfahren wurden und sie dann u.U. keine Anzeige erstatten.
Eine völlig andere Situation ist die, wenn vorweg in einer Patientenverfügung explizit Zwangsmaßnahmen von dem Betroffenen zugelassen werden, dann sind sie dadurch legitimiert und legal.
Die PatVerfü soll die Entstehung psychiatrischer Diagnosen verhindern. Was ist mit jenen, die bereits Diagnosen haben? Und was ist mit jenen, die durch Jobcenter und Sozialämter zwangsweise zu Begutachtungen geschickt werden?
Zum Glück gibt es ja keinen „ewigen Geisteskranken“ – also muss jedes Mal, wenn versucht wird, eines der Sondergesetze anzuwenden, eine neue ärztliche Untersuchung und Diagnose gemacht werden – also gilt eine neue PatVerfü, egal was vorher mal war. Aber vorsichtshalber sollte sie in diesem Fall, wie zuvor erwähnt, mit einem ärztlichen Attest über Geschäftsfähigkeit abgesichert werden. Bei Untersuchungen des Jobcenters oder Sozialämtern kann man nur zum Erscheinen genötigt, jedoch nie zum Sprechen gezwungen werden. Also bei einer solchen Untersuchung dem Arzt den Ausweis und die PatVerfü zeigen, ansonsten absolut eisern schweigen und möglichst einem Zeugen mitnehmen, der erklärt, dass man eben mit dem Arzt nicht reden möchte. Anders sieht es aus, wenn man Grundsicherung beantragt hat und unbedingt sehr chronisch krank erscheinen will, dann keine PatVerfü vorzeigen. Aber keine Angst, eine solche Untersuchung dürfte so gut wie nie zu einer Zwangseinweisung führen, solange man nichts von akuten Suizidgedanken berichtet oder handgreiflich wird.
Wie kann man sich vor einer Entmündigung in der rechtlichen Betreuung schützen, z.B. bei der Aufenthaltsbestimmung und der Geschäftsfähigkeit? Wie kann man sich aus einer Zwangsbetreuung befreien?
Solange „Betreuung“ von einem Gericht gegen den Willen aufgezwungen bzw. gegen den Willen aufrecht erhalten werden kann, ist sie eine Entmündigung. Befreien kann man sich daraus mit Hilfe der PatVerfü, die aber in diesem Fall durch ein ärztliches Attest abgesichert werden muss, besser sogar zusätzlich noch notariell beurkundet werden sollte. Mindestens eine Vorsorgebevollmächtigte muss benannt werden, die mit dieser Benennung auch einverstanden ist. Wenn man diese Elemente alle zusammen hat, dann kann man versuchen bei Gericht den Antrag auf Aufhebung der „Betreuung“ selber zu stellen; sicherer ist ein Erfolg durch die Beauftragung einer Anwältin, die den Antrag stellt und durchsetzt. Das kostet aber ca. 500,- €.
Was habt ihr für Wünsche, wie sollte das PsychKG beim Thema Zwangsbehandlung geändert werden?
Alle Möglichkeiten, Zwang auszuüben, müssen darin gelöscht werden. Nur wenn in einer Patientenverfügung explizit Zwangsmaßnahmen von dem Betroffenen zugelassen werden, dürften sie noch ausgeübt werden. Das gebietet die Behindertenrechtskonvention seit 1.1.2009, wie es mit einem Rechtsgutachten nachgewiesen wurde.
(veröffentlicht in CONTRASTE, der Monatszeitung für Selbstorganisation, 32. Jahrg., Juni 2015, Seite 8)