Der Generalsekretärs des Weltärztebundes hat reagiert
Der vom Bündnis gegen Folter in der Psychiatrie aufgegriffene Bericht des UN-Sonderberichterstatters über Folter, Juan E. Mendéz, (UN-Dok. A/HRC/22/53 vom 1. Februar 2013) hat inzwischen nicht nur zu einem Artikel in der Recht & Psychiatrie geführt, sondern auch schon im Mai zu einem offenen Brief des Generalsekretärs des Weltärztebundes, Dr. Otmar Kloiber.
Dass dieser Ober-Ober-Chefarzt dem Bericht nicht vorbehaltlos zustimmen will, kann nur daran liegen, dass er diese Studie von Alice Halmi aus dem Jahr 2010 nicht gelesen hat: Zwangspsychiatrie: ein durch Folter aufrecht erhaltenes System
Wir zitieren die besten Stellen aus den „Anmerkungen aus juristischer Perspektive“ von Michael Lindemann in der der R & P 4/2013, Seite 248-250, (Inhaltsverzeichnis siehe hier):
Nach dem Bericht [von Mendez] soll sowohl der von Art. 1 Abs. 1 der Antifolter-Konvention geforderte Vorsatz als auch das Zweckkriterium maßgeblich mit dem Vorliegen einer Diskriminierung wegen einer Behinderung begründet werden; darüber hinaus sei im Gesundheitswesen »neben vordergründig therapeutischen Zielen vielfach explizit oder implizit auch das Ziel der Bestrafung oder die Absicht der Einschüchterung gegeben« (Rn. 20 – 22).
Im weiteren Gang der Darstellung werden die in der Vergangenheit für die Beurteilung von Folter und Misshandlung im Sinne des UN-Antifolterübereinkommens entwickelten Grundsätze zutreffend referiert, erfahren sodann jedoch eine am Leitgedanken eines »neue(n) normative(n) Paradigmas« (vor Rn. 61) ausgerichte […..] Zuspitzung.
Deutlich brisanter fällt die anschließende Fortschreibung dieser Grundsätze durch den Berichterstatter aus: So ist die Rede von einem »absolute(n) Verbot aller unter Zwangsanwendung und ohne Einwilligung angewandter Maßnahmen, einschließlich der Fixierung und Isolierung von Menschen mit psychologischen oder geistigen Behinderungen« (Rn. 63; siehe auch Rn. 89 b); überdies wird ohne erkennbare Einschränkung konstatiert, »dass in Gesundheitseinrichtungen stattfindende unfreiwillige Behandlungen und sonstige psychiatrische Eingriffe Formen der Folter und Misshandlung darstellen« (Rn. 64).
Entsprechend weit reichen die an das Ende der Ausführungen gestellten Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Berichterstatters: Zur Verwirklichung des Ziels, »jedem Einzelnen gleichberechtigt und ausnahmslos die freie und informierte Einwilligung zu garantieren«, seien »alle entgegenstehenden Rechtsvorschriften, wie etwa Bestimmungen, die im Umfeld der psychiatrischen Fürsorge, auch im Wege der Betreuung oder sonstigen stellvertretenden Entscheidung, die Isolierung oder Zwangsbehandlung zulassen, zu ändern« (Rn. 85 e).
Somit kann inzwischen davon ausgegangen werden, dass alle in der Zwangspsychiatrie Tätigen wissen, dass sie sich an Folter bzw. einer anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung beteiligen. Wenn sie es also weiter tun, so verletzten sie wissentlich und willentlich die Menschenrechte, sind Menschenrechtsverbrecher.