Richterin empfiehlt „Eilantrag in Karlsruhe!“

Ausnahmsweise möchten wir auf einen Artikel in der Ärzte Zeitung vom 22.5.2013 hinweisen, der in einem Bericht über den 63. Kongress des Bundesverbands der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst einige interessante Hinweise enthält:

  • Dr. Andrea Diekmann, Vizepräsidentin am Landgericht Berlin, wird zitiert:
    „Man kann den Betroffenen nur raten, die Beschlüsse rechtlich zu prüfen“, so Diekmann. Würde sie selbst auf Grundlage des PsychKG untergebracht, würde sie sich direkt mit einem Eilantrag nach Karlsruhe wenden.
  • Frau Dr. Diekmann und Dr. Christoph Lenk, Chef des sozialpsychiatrischen Dienstes in Hamburg-Wandsbek täuschen sich aber gründlich, wenn sie offenbar in therapeutischer Verzweiflung behaupten:
    Von den Amtsärzten als Gutachtern wird also verlangt, dass sie sich in die Arbeit der Klinikkollegen einmischen. „Ich kann doch dem Kollegen die Therapie nicht vorgeben“, monierte denn auch ein Amtspsychiater auf dem Kongress. Lenks Tipp: „Verweisen Sie auf die Therapiehoheit, nennen Sie möglichst Stoffklassen und empfehlen Sie Alternativen.“ Ähnlich sieht es Dr. Andrea Diekmann. Die Vizepräsidentin am Landgericht Berlin fragte, ob es wirklich gut ist, „wenn sich das Gericht da reinhängt“. Denn: „Es obliegt weiterhin den Ärzten, die richtigen Maßnahmen auszuwählen.“

    Allerdings gab sie Entwarnung, die Richter würden in Zukunft mit über die Therapie entscheiden: „Die Gerichte mischen sich nicht ein.“ Maßgeblich seien die Empfehlung des Arztes und die Einwilligung des Betreuers im Rahmen des Gerichtsbeschlusses.
    Dass eine Vizepräsidentin am Landgericht Berlin sich so einen dreisten Affront gegen einen Beschluss des Bundesgerichtshof leistet, zeigt wie ahnungslos sich diese Richterin gibt, um psychiatriehörig zu sein, denn das „Rezepturteil“ als  Obiter dictum des BGH vom 1.2.2006 mit dem Aktenzeichen XII ZB 236/05 ist die verbindliche Rechtslage für alle anderen Gerichte (außer dem BVerfG), Zitat:
    “Die Sache gibt weiterhin Anlass zu dem Hinweis, dass in der Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die von dem Betreuten zu duldende Behandlung so präzise wie möglich anzugeben ist…, dazu gehören bei einer Behandlung durch Verabfolgung von Medikamenten in der Regel auch die möglichst genaue Angabe des Arzneimittels oder des Wirkstoffes und deren (Höchst-) Dosierung sowie Verabreichungshäufigkeit.
    Wer also auf ein Gericht stoßen sollte, das sich tatsächlich an der Meinung von Frau Dr. Diekmann und Dr. Lenk orientiert, sollte sich sofort in einer höheren Instanz beschweren, denn er/sei wird spätestens beim BGH Recht bekommen und kann nach einem endgültigen Sieg dann Schmerzensgeld und Schadensersatz geltend machen.
    Eigentlich müssten solche falschen Behauptungen als Anstiftung zu der Straftat einer Körperverletzung geahndet werden.
  • Deutlich macht der Artikel, wie sich alle darüber im klaren sind, dass die Hoffnungen auf eine Novellierungen eines PsychKGs beim BVerfG in Karlsruhe enden werden. Denn nur Gefahrenabwehr könnte PsychKG-Ländersache sein, aber genau die hat das BVerfG als Begründung für eine Zwangsbehandlung explizit ausgeschlossen. Selbstgefährdung hingegen kann nur Gesetzgebungskompetenz des Bundes sein, weil es doch dabei nur um´s „Wohl“ des Betroffenen, also Betreuungsrecht, gehen kann.
  • Bemerkenswert ist allerdings, wie Dr. Lenk immer wieder von „Nazi Psychiatrie“ spricht, wenn zwangsbehandelt wird. Falsch unterstellt er, dass die Betroffenen diesen Begriff für eine Psychiatrie, die zwangsbehandelt, verwenden würden. Falsch deshalb, weil wir genau unterscheiden, ob systematischer Massenmord und Zwangssterilisation von 1933 bis 1948/49 in Deutschland und in den von Deutschland besetzten Gebieten begangen wurden, für die ein Begriff wie „Nazi-Psychiatrie“ zutrifft, oder nicht. Er versucht mit dieser falschen Unterstellung uns eine Übertreibung bzw. die Verharmlosung des systematischen Massenmords an unseren sozialen Brüdern und Schwestern in die Schuhe zu schieben. Aber er gibt damit unwillkürlich zu, dass es sich um eine Terror- bzw. Folterpsychiatrie handelt, wenn zwangsbehandelt wird, siehe Bündnis gegen Folter in der Psychiatrie: http://www.folter-abschaffen.de
  • Offenkundig wird durch den Hinweis in dem Artikel, dass nach der Novellierung des § 1906 BGB das BVerfG ein weiteres mal in Sachsen ein Zwangsbehandlungsgesetz genichtet hat, dass durch diese Novellierung nur maximale Rechtsunsicherheit geschaffen wurde. Es verhält sich genau so, wie in unserer Erklärung vom 17.1. vorhergesagt:
    Mehr Rechtsunsicherheit hätte der Gesetzgeber also kaum schaffen können und selbstverständlich rufen wir alle Betroffenen auf, diese Rechtsunsicherheit zu nutzen und sich mit rechtlichen Mitteln zur Wehr zu setzen, koste es was es wolle.
  • Dazu können wir inzwischen auf diese fachanwaltlich geprüften Tipps und Hinweise hinwiesen: http://zwangsbehandlung.psychiatrierecht.de
    Zwangsbehandlung verhindern!
    Ideensammlung für Rechtsanwälte und Verfahrenspfleger

Der ganze Artikel der Ärzte Zeitung hier