Bündnis gegen Folter in der Psychiatrie gegründet

Wir freuen uns, bekannt geben zu können, dass wir am 2.4.2013 zusammen mit anderen Organisationen das

Bündnis gegen Folter in der Psychiatrie

gegründet haben. (Die aktuelle Liste der Unterzeichner findet sich hier: folter-abschaffen.de)

Das Bündnis wurde angeregt durch die Erstunterzeichner:

Auslöser war die paradigmatische Wende, die der UN-Sonderberichterstatter über Folter beim UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, Juan E. Méndez, gemacht hat. In seiner Rede bei der 22. Sitzung des „Human Rights Council“ am 4. März 2013 erklärte er alle Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie zu Folter, bzw. grausamer, unmenschlicher oder erniedrigende Behandlung. Auf Seite 5 seiner Rede forderte er, dass:

„alle Staaten ein absolutes Verbot aller medizinischen nicht einvernehmlichen bzw. Zwangsbehandlungen von Personen mit Behinderungen verhängen sollten, einschließlich nicht-einvernehmlicher Psychochirurgie, Elektroschocks und Verabreichung bewusstseinsverändernder Drogen, sowohl in lang-wie kurzfristiger Anwendung. Die Verpflichtung, erzwungene psychiatrische Behandlung wegen einer Behinderung zu beenden, ist sofort zu verwirklichen und auch knappe finanzielle Ressourcen können keinen Aufschub der Umsetzung rechtfertigen.“

Das ist eine weitere Bestätigung der Unteilbarkeit der Menschenrechte; unveräußerliche Rechte, die bisher an den Pforten der Zwangspsychiatrie ihr Ende finden. Es ist deshalb eine paradigmatische Wende, weil bisher staatlicherseits und in der WHO eine böse Unterscheidung von Menschen und Geisteskranken aufrecht erhalten wurde, nun aber eine staatlich erzwungene Körperverletzung auch in der Psychiatrie immer als Folter bzw. grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung gesehen wird, eben Artikel 5 der UN-Menschenrechtserklärung für alle Menschen gilt!

Dies verstärkt Juan E. Méndez in seinem Bericht A/HRC/22/53, den er am 1.2.2013 der UN vorgelegt hat, im Abschnitt 82. durch die Aussage:

Das Verbot der Folter ist eines der wenigen absoluten und unveräußerlichen Menschenrechte, ein ius cogens, eine zwingende Norm des internationalen Rechts.

Weil nun psychiatrische Zwangsbehandlung als Folter erkannt ist, gibt es auch keine willkürliche Ausrede mehr, dass diese Bewertung etwa nur dann gelten würde, wenn allein aufgrund von Behinderung eine solche Misshandlung vorgenommen würde. Denn auch wenn eine Person als selbst- oder fremd-gefährlich bezeichnet werden oder sogar schwere Straftaten begangen haben sollte, darf sie dennoch nicht gefoltert werden. Durch das Hineinlügen genau dieses „allein“ in die Behindertenrechtskonvention, haben sich nicht nur die Bundesregierung und die Länderregierungen, sondern bisher auch alle in den Landtagen und dem Bundestag vertretenen Parteien versucht aus der Verpflichtung zu stehlen, alle PsychKGe, den § 63 StGB und die Zwangsbetreuungsgesetze abzuschaffen. Ja, bis auf die Linkspartei, haben sich dieses Jahr sogar alle anderen Parteien im Bundestag aktiv daran beteiligt, psychiatrische Folterungen durch eine Novellierung des § 1906 BGB dem Anschein nach zu legalisieren.

Das Folterverbot hingegen gilt absolut, es ist eine zwingende Norm des internationalen Rechts.

Entsprechend steht in der Gründungserklärung des Bündnisses gegen Folter in der Psychiatrie:

Deshalb fordern wir alle Landes- und den Bundesgesetzgeber auf, alle Sondergesetze, die psychiatrische Zwangsbehandlung legalisieren, sofort für ungültig zu erklären.

Und in einer Fußnote wird ausbuchstabiert, was das heißt: „Die entsprechenden Teile aller PsychKGe, Maßregelvollzugsgesetze und des neugeschaffenen § 1906 BGB werden ersatzlos gestrichen.“

Um einen möglicherweise vorgebrachten Einwand, wenn man Zwangspsychiatrie mit den schweren körperlichen, oft sogar tödlichen Formen der Folter gleichsetze, würden diese schweren Verbrechen verharmlost bzw. deren Opfer unzulässig relativiert, zu entkräften, muss man wissen, dass es sich tatsächlich genau umgekehrt verhält: Einerseits verwenden Folterer immer ausgetüfteltere Methoden, um keine körperlichen Spuren der Folter bei Freigekommenen zu hinterlassen – und damit die Verbrechen schwerer verfolgt werden können -, ohne dass dies die Verbrechen „relativieren“ könnte. Andererseits ist gerade die Aufmerksamkeit auf „unspektakuläre“, nahezu „harmlos“ erscheinende Folter ein Schutz auch vor deren drastischen Formen, denn die Aufmerksamkeit und der Blick für entmenschlichende Handlungen wird so insgesamt geschärft.

Die Aufgabe des Bündnisses ist klar vorgezeichnet: Dieses neue Wissen, dass psychiatrische Zwangsbehandlung Folter ist, muss Allgemeinwissen werden; dazu muss es auf allen erreichbaren Wegen bekannt gemacht werden.
Dieser Aufgabe stellt sich das Bündnis. Dessen öffentliche Plattform ist die Website: http://www.folter-abschaffen.de
Dort sind die augenblicklich an dem Bündnis beteiligten Organisationen gelistet und werden neu Hinzugekommene bekannt gemacht.

Auch Sie möchten wir bitten, die paradigmatische Wende bekannt zu machen und/oder zu versuchen neue Organisationen anzusprechen und für das Bündnis zu gewinnen. Lesestoff zum Thema finden Sie in der Zwang Nr. 2 von 2004:

Zwangspsychiatrie und die Folterdebatte in der westlichen Welt
Schrei, wenn du kannst, auch ohne Echo von Wolf-Dieter Narr
Zwangspsychiatrie ein Foltersystem: Ein Plädoyer für das Verständnis von Zwangspsychiatrie als Folter
Amnesty Position zur Folter in der Psychiatrie
Zwangspsychiatrie: ein durch Folter aufrecht erhaltenes System (von 2010)

Dies ist eine Nachricht der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V., die wir weiterleiten, so als ob sie unsere wäre .