DGSP weitert den Blick
-
Dieser ausgezeichnete Artikel von Heinz Kammeier (Mitglied im Kartell gegen § 63) in der Soziale Psychiatrie 1/2024 dazu, wo und wie psychiatrische Zwangsmaßnahmen einzuordnen sind, ist hier frei zugänglich.
Von Zwangssterilisationen zu Zwangsbehandlungen
Ein rechtssoziologischer Impuls
Seit einigen Jahren werden weitreichende Diskussionen um Begriffe wie cancel culture, Rassismus, Gentrifizierung und epistemische Ungerechtigkeiten geführt. Vor dem Hintergrund dieser und ähnlicher Begriffe nimmt der Autor mit dem weiteren Stichwort Kolonialisierung eine soziale Stigmatisierung in den Blick, die sich in Deutschland insbesondere im Umgang des Rechts mit psychisch erkrankten Personen entwürdigend auswirkt. Dabei zeigt er an den rechtlichen Folgen der ärztlichen Bestimmung von Einwilligungsunfähigkeit sowie an der fehlenden Differenzierung zwischen psychischer Krankheit als integralem Element einer Person und dem nach außen wirkendem Verhalten einer Person auf, wie »Recht zu Unrecht« werden kann. Der Mythos einer als umfassend aufgefassten Schutzpflicht droht damit nach Auffassung des Autors das auf der Würde des Menschen gründende Recht auf Selbstbestimmung zu entwerten und Zwang umfassend zu legitimieren. Diesem Weg ins Unrecht sollte nicht weiter gefolgt werden….
Der Artikel ist auch ein wichtiger Beitrag gegen den Gesetzgebungsversuch in Baden-Württemberg, ambulante Zwangsbehandlung gesetzlich zu ermöglichen. Er ist in der Mitgliederzeitung der DGSP erschienen. Das zeigt, dass sich in der DGSP offenbar die Kritik an der Forensik (Abschaffung der §§ 20, 21, 63, 64) durch Kritik an psychiatrischen Zwangsmaßnahmen insgesamt weitert.
Den Begriff der Kolonialisierung hatte die Irren-Offensive im Titel Das kolonialisierte Subjekt ihrer Presseerklärung 2003 verwendet und in der Ausgabe Nr. 11 veröffentlicht.