Wir stellen die Machtfrage
Rückkehr der Drogenberater zur Bewusstseinserweiterung?
Das Psycho-Drogen-Feld ist ins Schwimmen gekommen: Waren in dem Liberalisierung-Schub der Hippie-Zeit ab Mitte der 60er Jahre das Aufkommen neuer Drogen und deren Einnahme zur „Bewßtseineserweiterung“ Gang und gäbe, (z.B. LSD war neu, aber noch nicht verboten), so wurden bald darauf diese neuen Drogen kriminalisiert und in den Giftschrank verbannt. Zwar blieb Alkohol und Tabak als „Genuss“-Mittel weit verbreitet, aber insgesamt gerieten in der Folge immer mehr Substanzen und Verhaltensweisen in den Verdacht zu einer „krankhaften Sucht“ zu führen (die letzten Umdrehungen waren: zu viel oder zu wenig Essen, zu gesund essen, Fett, Salz, Zucker, Spielen, Internetnutzung, Arbeiten…).
Die Psychiatrie war mit zwei Gesundheits-Versprechen auf dem Vormarsch: Einerseits dem Verbot von Drogen nach denen verlangt wurde und andererseits dem Zwang bestimmte Drogen nehmen zu müssen. Während das Verbot gegen die Kräfte des Schwarzmarktes und trotz einem „Krieg gegen die Drogen“ nur mäßigen Erfolg hatte, war die Zwangsbehandlung mit als „Medikament“ verkauften Drogen recht erfolgreich. Die Umsatzzahlen der Pharmaindustrie sprechen eine deutliche Sprache. Begleitet wurde diese Offensive in Deutschland mit der Aufrüstung psychiatrischer Machtausübung durch eine weitere Speckschicht, die Entmündigungs-Industrie, die mit dem schönen Namen „Betreuung“ euphemistisch getarnt wurde, aber auf staatlich/psychiatrischer Gewalt gründet – alles unter staatlicher Kontrolle.
Es gab in dieser Entwicklung aber eine Bruchstelle: 1998 wurde mit dem FDP Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig gesetzlich die sog. „Vorsorgevollmacht“ auch in höchst persönlichen Angelegenheiten vorrangig zu einer Entmündigungs-„Betreuung“. Zwar gab es von Seiten der Justiz noch Rückzugsgefechte, indem der juristische Unsinn behauptet wurde, eine (Vorsorge-)Vollmacht müsse zum Brechen des Willen des Betroffenen genutzt werden, aber das alles war gescheitert, als der Gesetzgeber 2009 das Patententenverfügungsgesetz beschlossen hatte, das bei allen Krankheiten in allen Phasen gilt und damit der Selbstbestimmung den Vorrang vor ärztlicher und anderer „Vernunft“ einräumte.
Diese Entmachtung psychiatrischer Entmündigung durch Vortäuschung von angeblichem „Wissen“erfolgt nun auch beim Drogengebrauch. Die geplante Liberalisierung von Cannabis ist der erste Schritt. Die neue Diskussion um LSD als Mittel der „Bewusstseinserweiterung“ ist der zweite Schritt, wie es in dieser Sternstunde am 21.5. zu sehen war:
Selbst so eine Ober-Psychiaterin wie Isabella Heuser-Collier an der Berliner Charité, rät nun auf einmal zum Gebrauch der Droge LSD, siehe hier: Ja wenn’s der Gesundung dient 🙂
Eine gewichtige Fernsehsendung war am 1.9.2023 im ZDF aspekte mit folgendem Titel: Besser leben mit LSD? – die Rückkehr der Hippie Droge
In 3sat wurde am 15.7. das Thema durch diese Sendung vorbereitet: Das LSD Comeback – Die Renaissance der psychodelischen Drogen. Der nächste Schritt in dieser Entwicklung ist, wie über die Legalisierung von „Wunderpilzen“ in Australien berichtet wird, siehe die Veröffentlichung hier. Diese Gesinnungswechsel in der Beurteilung von Drogen haben in der Psychiatrie eine lange Tradition: Michel Foucault weist in seiner Vorlesung vom 23.1.1974* bereits darauf hin, Zitat: …Und schließlich drittens ein Element, das sehr bekannt war und über das die Geschichte der Psychiatrie bezeichnenderweise schwieg, nämlich die – ich sage zwar nicht ständige, aber doch von den Jahren 1840 bis 1845 an sehr allgemeine Verwendung von Drogen, und zwar im wesentlichen Äther, Chloroform, Opium, Opiumtinktur und Haschisch, also ein ganzes Sortiment, das fünfzehn Jahre lang in der Welt der Anstalten des 19. Jahrhunderts täglich angewendet wurde und das die Psychiatriehistoriker klugerweise verschwiegen haben, …..
Wir stellen die Machtfrage.
Ob Drogen gut tun, oder schlecht bekommen, können und sollten nur subjektiv diejenigen beurteilen, die sie als Erwachsene aus freien Stücken einnehmen oder sich spritzen (lassen). Was in der Beurteilung auf Placeboeffekte zurückzuführen ist, kann dann dahingestellt bleiben. Das Urteil beruht auf dem grundlegenden Recht auf den eigenen Körper (eines Erwachsenen) und der grundgesetzlich geschützten Freiheit. Ärztliche Gebote von Drogen, die staatlich legalisiert mit Zwang verabreicht werden und Verbote von Drogen, die kriminalisiert werden, sind also nur die zwei Seiten derselben Medaille: Des ärztlichen Übergriffs aufgrund staatlich zugesprochener Macht. Diese Macht wird zunehmend in Frage gestellt und ist am schwinden. Dabei sollen die Gefahren, die bei dem Gebrauch von Drogen bestehen, nicht in Abrede gestellt werden, macht bekanntlich doch die Dosis das Gift. Dies wurde vor 13 Jahren 2 Personen zum Verhängnis, die der ärztlichen Anleitung beim Gebrauch von LSD vertrauten. Beide verstarben und das führte zu entsprechenden Strafverfahren, siehe BZ Bericht und hier im Spiegel. Mit dem selben Heilsversprechen ist z.B. in der Schweiz die Internationale Ärztegesellschaft für Alternative Psychiatrie und Echte Psychotherapie unterwegs. Diese Kirschblüten-Gemeinschaft will sogar eine Therapeutisch-Tantrisch-Spirituelle Universität sein.
Der im November 2022 verstorbene Prof. Hans Peter Dreitzel hat in seinem Beitrag „Drogen für alle“ beim Symposium „Grausames Mitleid“ im Juni 1997 das Drogen-Thema gründlich ausgeleuchtet, siehe: https://www.irrenoffensive.de/szaszsymposium/dreitzel.htm
Er hat darin auch angemerkt, wie wesentlich bei dem Gebrauch von Drogen „set und setting“ ist. Das weist darauf hin, dass typischerweise auch ein Placeboeffekt im Spiel ist. Die aktuelle Entwicklung läuft also darauf hinaus, dass die staatlich-psychiatrische Macht zerfällt, bzw. es nur noch Rückzugsgefechte gibt und das Recht auf den eigenen Körper und das Bewusstsein autonom bei der erwachsenen Person verbleibt, die diesen Körper hat. Wenn es dann soweit sein wird, dass nicht mehr ÄrztInnen, sondern nur noch Erwachsene selbst über ihren Drogengebrauch entscheiden, dann dürfte es sinnvoll sein, dass statt Ärzten lizenzierte Drogenberater bei der Bewusstseinserweiterung behilflich sind, und schon in der Schule grundlegendes Wissen dazu vermittelt wird, damit der Einstieg in den Drogenkonsum, wenn er denn von einem Volljährigen gewünscht ist, so unproblematisch wie möglich gelingt.
Zum Thema ein Bericht im Focus vom 7.10.2023: Das Comeback von Psychedelika in Therapie, Coaching und Training
*veröffentlicht in „Die Macht der Psychiatrie“, Suhrkamp