Jeder Mensch ist immer ein/e Schizophrene/r

Die NZZ berichtet unter dem Titel: «Jeder Mensch ist ein Schizophrener» über die kommentierte Neuausgabe des 1912 erschienen Buches von Karl Heinrich Fehrlin (Bild rechts): Die Schizophrenie, siehe hier
Statt der üblichen Verleumdung „Dementia praecox“ verwendet Fehrlich das neu in Gebrauch gekommene Wort Schizophrenie, versucht  es aber gleichzeitig dadurch zu entschärfen, dass es dabei um eine allen Menschen gemeine Eigenschaft gehe. Dabei scheint Fehrlin zu übersehen, dass der medizinischen Jargon in der Psychiatrie immer als Waffe gebraucht wird:
„Schizophrenie ist ein strategisches Etikett, wie es „Jude“ in Nazi-Deutschland war. Wenn man Menschen aus der sozialen Ordnung ausgrenzen will, muss man dies vor anderen, aber insbesondere vor einem selbst rechtfertigen. Also entwirft man eine rechtfertigende Redewendung.
Dies ist der Punkt, um den es bei all den hässlichen psychiatrischen Vokabeln geht: sie sind rechtfertigende Redewendungen, eine etikettierende Verpackung für „Müll“; sie bedeuten „nimm ihn weg“, „schaff ihn mir aus den Augen“, etc. Dies bedeutete das Wort „Jude“ in Nazi-Deutschland, gemeint war keine Person mit einer bestimmten religiösen Überzeugung. Es bedeutete „Ungeziefer“, „vergas es“. Ich fürchte, dass „schizophren“ und „sozial kranke Persönlichkeit“ und viele andere psychiatrisch diagnostische Fachbegriffe genau den gleichen Sachverhalt bezeichnen; sie bedeuten „menschlicher Abfall“, „nimm ihn weg“, „schaff ihn mir aus den Augen“.“

Thomas Szasz zitiert aus: „Interview with Thomas Szasz“ in The New Physician, 1969
Dem medizinischen Jargon als Waffe ist dann leider Karl Heinrich Fehrlin zum Opfer gefallen: Er wurde eingesperrt und auf Betreiben des Bruders auch entmündigt.