Drei neue Freiheitspreise der Irren-Offensive

Drei Freiheitspreise der Irren-Offensive für unsere drei besonders treuen Vertrauensanwälte
Die Laudatio gespochen von René Talbot

Wir haben bisher drei Freiheitspreise verliehen. Den ersten 2002 an Thomas Szasz, den zweiten 2005 an Thomas Saschenbrecker und den dritten 2010 an Wolf-Dieter Narr. Leider sind alle drei inzwischen verstorben.
Aber da die Auseinandersetzung mit der Zwangspsychiatrie noch nicht zu Ende ist, sondern seit 2009 durch das Patientenverfügungsgesetz und die Behindertenrechtskonvention in eine neue Phase getreten ist, ist es höchste Zeit, unsere drei besonders treuen Vertrauensanwälte mit der goldenen Taschenlampe für subversive Rechtskunde als Dank für ihr parteiisches Eintreten aus zu zeichnen. Es ist zwar nur ein symbolischer Preis, aber er ist durch die bisherigen Preisträger doch schon zu etwas Besonderen geworden.

Wir hoffen, dass die Preise bei Eckart Wähner, Alexander Paetow und David Schneider-Addae-Mensah zumindest als Briefbeschwerer dienlich sind.

Nun der Reihe nach, wie lange wir schon zusammenarbeiten.

Lieber Eckart, zunächst zu dir:
Du hast seit ca 1987 zu uns gestanden, zu einer Zeit als es damals nahezu keinen Blumentopf zu gewinnen gab. Die Zwangspsychiatrie war einfach nur ein Unrechtssystem, eine Phalanx aus einem Ärzte- und Richter-Filz. Da konnte man kaum einen Stich machen. Außerdem sind Mandantinnen und Mandanten oft sehr arm, völlig unerfahren mit der Justiz und manchmal auch schwierig, widersprechen sich in dem was sie wollen. Mitunter kommt erschwerend hinzu, dass mit völlig überzogenen Erwartungen geradezu Wunder von einem Anwalt erhofft werden. Es ist also regelmäßig eine gewisse Herausforderung, so ein Mandat anzunehmen, insbesondere, weil die Richter keine Richter, sondern wie eine Partei sind.  Das wird besonders deutlich bei einer irreführend „Betreuung“ genannten Entmündigung. Der Wille des Betroffenen wurde von einem psychiatrischen Gutachter als krank verurteilt und ist völlig unmaßgeblich. Der Richter lehnt sich zurück und macht die Verurteilung des sogenannten „Sachverständigen“ zu seinem Urteil. Aus dem Schreibprogramm müssen dann nur noch die an sich immer gleichen Formulierungen zusammen gesetzt werden, und das war´s.
Professionell ist das für einen Anwalt völlig frustrierend. Typischerweise wechseln dann Anwälte gerne die Seiten und lassen sich lieber als Berufsbetreuer bezahlen. Dass sie dabei zum Büttel des Gerichts werden, dieser Interessenkonflikt wird einfach ausgeblendet. 35 Jahre trotzdem nicht das Handtuch geworfen zu haben, sondern Jahr um Jahr neue Mandate angenommen zu haben, das allein ist schon eine Auszeichnung wert. Ich will deshalb auch nur drei besondere Mandate heraus greifen, in denen du unsere Interessen verteidigt hast:

  • Gianfranco Belli wurde am 1.12.2015 nach über 18 Jahren endlich aus der forensischen Terrorhaft entlassen. Er hatte nur eine minder schwere Straftat begangen, keine Körperverletzung, nur eine Bedrohung und Sachbeschädigung und war dafür mit Forensik härter bestraft worden, als normalerweise ein Mord bestraft wird. Es war trotzdem noch ein Kampf, bis du ihn am 1.12.2015 endlich frei bekommen konntest; die Staatsanwaltschaft wollte unbedingt das psychiatrische Wegsperren weiter fortsetzen. So konnte Gianfranco wenigstens in Freiheit sterben.
  • Besonders traurig war, wie Helena Zentner sich nicht mehr anders zu helfen wusste, als sie sich einer Zwangseinweisung am 10.1.2008 durch einen Sprung in den Tod entzog. Der aufgezwungene Vormund hatte sein gerichtliches Mandat gegen sie genutzt. Die Beschwerden gegen das Unrecht dieser zwangsweisen Entmündigung waren von dir jahrelang durch alle Instanzen geklagt worden und deine Verfassungsbeschwerde war schon über ein Jahr lang anhängig. In einer Sendung von Report München hast du darüber gesprochen. In meinen Augen war es eine Rechtsverweigerung, ein völliges Justizversagen.
  • Mit einem wirklich guten Anwalt muss man meines Erachtens auch verlieren können, dann bleibt zumindest das Gefühl zurück, selber alles getan zu haben und das Scheitern haben Andere zu verantworten. So war es, als wir in Rostock den Verleumder die Rechnung dafür bezahlen lassen wollten, die er verursacht hatte, bevor er seine falsche Behauptung, wir hätten was mit Scientology zu tun, zurückgezogen hatte. Du bist trotz kleinem Streitwert mit Uwe nach Rostock gefahren, aber das Gericht war hartleibig. Du bist mit uns sozusagen durch Dick und Dünn gegangen.

Im Sinne von viel Feind, viel Ehr, heute unser Freiheitspreis für subversive Rechtskunde, insbesondere für deine Ausdauer und Verlässlichkeit.

Lieber Alexander
Seit 20 Jahren arbeiten wir nun schon zusammen. Du hast Mandate ausdauernd auch durch mehrere Instanzen verfolgt und nicht locker gelassen.
Insbesondere für deine Verteidigung der Grundrechte, wenn es eine Vorsorgevollmacht gibt und wenn versucht wird, eine seit 2009 mögliche PatVerfü zu missachten, möchten wir dir danken. Begonnen hatte alles 2002 mit der traurigen und bösartigen Entrechtung von Anne Hilsberg im Wenkebachkrankenhaus, die nicht nur widerrechtlich eingesperrt und zwangsbehandelt wurde, sondern dann auch noch entmündigt wurde. Trotz ihrer Vorsorgevollmacht gelang es dir damals – leider noch nicht -, sie daraus zu befreien. Sie hat im November 2005 bei unserer 25 Jahr Feier die Musik gemacht, sich aber dann am 5. Februar 2006 das Leben genommen. Es war die Zeit, als die Gerichte auf die Ungeheuerlichkeit gekommen sind, zu sagen, dass eine Vollmacht, die nicht Psychiatrie-konform gegen den  Bevollmächtigenden gewendet wird, einfach für unwirksam erklärt werden könne, eben weil mit der Vollmacht der Willen des Bevollmächtigenden gebrochen werden können solle. Eine Vollmacht, deren einziger Sinn darin besteht, den Willen der Bevollmächtigenden Person zu erfüllen! Gerichte, die so urteilen, taten dies nicht nur völlig willkürlich und menschenrechtsblind, sondern missachten auch fundamentale Grundsätze des Rechts, nur um der Psychiatrie dienlich sein zu könnten. Als 2009 das Patientenverfügungsgesetz in Kraft getreten ist, hat sich die Lage bei den Gerichten gebessert. Ich möchte nur auf vier wichtige Erfolge von dir hinweisen.

  • Dadurch, dass du 2006/7 beharrlich die illegale Einsperrung und Zwangsbehandlung in Wunstorf bis zum Oberlandesgericht Celle weiter getragen hast, wurde letztlich das ganze Martyrium der Betroffenen als Unrecht erkannt. Auf dieser Grundlage konnte RA Walker Ende 2016 einen Vergleich immerhin in Höhe von 30.000,- € erstreiten.
  • Deine 3 Erfolge im Jahr 2020 waren großartig: Am 17.4.2020 hat das Landgericht Berlin nach 2 Jahren endlich festgestellt, dass der Betreuer an die Patientenverfügung des Betroffenen gebunden ist, die PatVerfü sowohl von Ärzten, wie Betreuern und Gerichten beachtet werden muss. Die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung und die gerichtliche Zustimmung im Eilverfahren war Unrecht.
  • Am 26.5.2020 hast du es durch deine Beharrlichkeit geschafft, dass das BVerfG sogar die Entscheidung eines bayerisches Landgerichts revidiert hat – eines Bayerischen Gerichts, die besonders bekannt für ihre Willkür-Urteile in der Psychiatrie sind, Gratulation!
  • Am 4.8.2020 wiederum eine Entscheidung des BVerfG gegen die Fortsetzung der Zwangseinweisung durch einen Betreuer, die du erzielt hast.

Als Anerkennung dafür unser Freiheitspreis für subversive Rechtskunde.

Lieber David
Unsere Zusammenarbeit begann 2011 mit deinem Kommentar zu dem Paukenschlag des Bundesverfassungsgerichts, dass alle bisherigen Zwangsbehandlungsgesetze verfassungsrechtlich illegal gewesen sind. Du hast als Anwalt des Betroffenen in diesem Verfahren die Argumente vorgetragen.
Zwar konnten wir im Anschluss leider nicht verhindern, dass die Bundes- und Landesgesetzgeber sich menschenrechtswidrig über die UN-Behindertenrechtskonvention hinweg setzten und neue Zwangsbehandlungsgesetze verabschiedeten. Aber es gelang dir insbesondere mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Juni 2021 die PatVerfü zur Zwangsbehandlungen ausschließenden Bedingung zu machen, auch wenn die so geschützte, angeblich „an sich gefährliche“, Person im Maßregelvollzug eingesperrt sein sollte. Das ist nicht nur ein einzelner, punktueller Sieg, wie es bei dem Erfolg von Gustl Mollath der Fall war, sondern es ist ein Sieg auf ganzer Linie. Die PatVerfü wurde damit wie zu Jus Cogens, das heißt: die Richter, die Betreuer, die Ärzte und auch die Gesetzgeber, alle müssen sich nun daran halten, dass gegen eine PatVerfü keine psychiatrische Zwangsbehandlungs-Maßnahmen mehr legalisiert werden können.
Du hattest mir schon vor Jahren gesagt, dass gerade in der Forensik ein Durchbruch gelingen sollte. Ich hatte vermutet, dass zunächst in der nicht-forensischen Psychiatrie die PatVerfü gerichtsfest werden müsse, weil in der Forensik sowieso das Einsperren durch eine verurteilte Straftat legitimiert wird, die Freiheitsberaubung dadurch eben auch für nicht-geisteskrank diagnostizierte Straftäter legal ist. Du hast Recht behalten, dazu kann ich dir und uns nur ganz herzlich gratulieren.

Diese Entscheidung hatte einen Vorlauf in den vielen Verfahren, in denen du das Mandat angenommen hattest und unermüdlich für Grund- und Menschenrechte gegen das richterlich unterstütze, psychiatrische Willkürsystem gekämpft hast. All diese Verfahren, insbesondere zur Durchsetzung der PatVerfü jetzt auf zu zählen, wäre zu langwierig. Aber so haben sich Zug um Zug die Gewichte seit 2010 zu unseren Gunsten verschoben. Ein deutliches Zeichen dafür ist, wie der Versuch des CDU geführten NRW Justizministeriums, ambulanten Zwangsbehandlung per Gesetz zu ermöglichen,  sofort schon auf Landesebene gescheitert war, nachdem der NRW Regierung von den Psychiatrie-Erfahrenen eine von dir grundrechtlich gründlich begründete Stellungnahme im Januar dieses Jahres übergeben hatten.  Ein Erfolg, den wir 2003 – 2005 noch sehr mühsam mit vielen Demonstrationen und Rechtsgutachten von Thomas Saschenbrecker erst auf Bundesebene und dann in Bremen erzielen konnten. Alles Zeichen, dass die Hegemonie der Zwangspsychiatrie gebrochen ist. Seit dem 1. März dieses Jahres hat sogar die DGSP die Seiten gewechselt und fordert öffentlich die Abschaffung der  §§ 20, 21, 63 und 64.

Das monolithische System der Zwangspsychiatrie ist am zerfallen. Wir werden alles dafür tun, dass diese Erosion möglichst sogar beschleunigt weiter geht.
Als Dank für deinen Beitrag dabei dieser Freiheitspreis für subversive Rechtskunde.