BVerfG: Keine Zwangsbehandlung bei wirksamer Patientenverfügung

RA David Schneider-Addae-Mensah verweist in einer Pressemitteilung auf die Bedeutung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu 2 BvR 1866/17 und 2 BvR 1314/18:

„Keine Zwangsbehandlung bei wirksamer Patientenverfügung

Karlsruhe, 30.07.2021. Das Bundesverfassungsgericht hat heute eine sehr grundrechtsschützende Entscheidung veröffentlicht, die den Willen des Patienten erheblich stärkt. In begrüßenswerter Klarheit betont das höchste deutsche Gericht, daß die wirksame Patientenverfügung eines – auch im Maßregelvollzug untergebrachten – Patienten in jedem Fall gemäß § 1901a BGB bindend ist. Deren bloße „Beachtung“ reicht nicht aus. Die Wirksamkeit der Patientenverfügung sei allerdings in einem zweistufigen Verfahren zu prüfen wobei keine überhöhten Anforderungen oder medizinische Kenntnisse des Verfügenden gefordert werden könnten.
Der Karlsruher Rechtsanwalt David Schneider-Addae-Mensah, der den im Bezirkskrankenhaus Straubing einsitzenden Beschwerdeführer vertritt, begrüßt die Entscheidung. „Damit hat die Patientenverfügung als ius cogens einen festen Platz in unserer Grundrechtsordnung“ sagt der auf Menschenrechte und Psychiatrie spezialisierte Jurist.“ [Zu Jus Cogens siehe hier, WFZ]

Mit dem heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts zwei Verfassungsbeschwerden teilweise* stattgegeben, die sich gegen gerichtliche Entscheidungen richteten, mit denen die Einwilligung in eine medizinische Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers in der einstweiligen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie im anschließenden Maßregelvollzug erteilt wurde.

Der im Maßregelvollzug untergebrachte Beschwerdeführer wurde auf Antrag des behandelnden Bezirkskrankenhauses wiederholt medizinisch zwangsbehandelt, obwohl er zuvor schriftlich [in einer PatVerfü, WFZ] niedergelegt hatte, nicht mit Neuroleptika behandelt werden zu wollen. Die der Zwangsbehandlung zugrundeliegenden fachgerichtlichen Beschlüsse halten einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Fachgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der landesrechtlichen Vorschriften die Bedeutung und Tragweite der Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unzureichend Rechnung getragen.
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* WFZ: Teilweise, weil das BVerfG einen Teil der Klagen mangels einer Dokumentation eines Beschlusses einer Vorinstanz für unzulässig erklärt hat.

Die Pressemitteilung mit Link zum vollständigen Text der Entscheidung hier:  https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-066.html
Bericht in der Tagesschau: https://www.tagesschau.de/inland/verfassungsgericht-patientenrechte-101.html
Bericht in der Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/bayern/gesundheit-karlsruhe-verfassungsgericht-patientenrechte-gegen-zwangsbehandlung-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210729-99-605407