Auf zum Reich der Freiheit
Auf zum Reich der Freiheit
Zum Zusammenhang zwischen der Nötigung zu arbeiten und der Nötigung zu „geistiger“ Gesundheit.
Das Gewaltmonopol des Staates im Tausch gegen das Recht auf Faulheit
Alle haben ihre eigenen Wünsche, Hoffnungen und Vorstellungen. Diese durchzusetzen geht einfach, wenn Andere diese teilen. Problematisch wird es, wenn das nicht der Fall ist und die Anderen ihrerseits auch ihren Kopf durchsetzen wollen. Es kommt zu Konflikten und Machtkämpfen, die leicht eskalieren und zu Verletzungen usw. führen. Deshalb ist es ein Fortschritt, Machtkämpfe zwischen Erwachsenen dadurch zu begrenzen, dass so etwas wie ein Gesellschaftsvertrag zustande kommt: Das Individuum gibt die Ausübung körperlicher Gewalt auf, stimmt sozusagen seiner eigenen Wehrlosigkeit zu, und akzeptiert diese Machtübergabe an das Kollektiv bzw. den Staat, ja verbietet sich selbst seine Gewaltbereitschaft (Notwehr ist die Ausnahme). Da dieser Vertrag nicht unterschrieben wird, muss er sich aus sich selbst heraus legitimieren.
Mit der Übergabe der Gewalt an ein staatliches Monopol ist tatsächlich ein dramatisches Zugeständnis verbunden, nämlich eine tiefgreifende Umverteilung von Macht. Deshalb muss der Machtverlust des Individuums kompensiert werden, sonst würde es eine völlig asymmetrische Beziehung zwischen dem Individuum und dem Kollektiv. Die gewaltfreie Beilegung von Konflikten durch eine monopolisierte Zuteilung der Macht an den Staatsapparat, zahlt sich nicht nur durch Rechtsfrieden aus, sondern sollte sich auch für das einzelne Individuum lohnen. Wir denken, der angemessenste und lohnendste Ausgleich für die Individuen sollte das Recht auf Faulheit sein. Das heißt, die Gesellschaft organisiert das Zusammenleben so, dass sie ein würdiges Leben von der Wiege bis zur Bahre gewährleistet.
Im Tausch gegen die eigene Wehrlosigkeit wird einerseits die Sicherheit gewährleistet, nie ohne Lebensmittel sitzen zu bleiben und andererseits das Vertrauen begründet, angstfrei leben zu können.
Nur wenn das auch dann gilt, wenn jemand nicht arbeiten will, z.B. weil die angebotenen Bedingungen nicht attraktiv genug sind, erfüllt sich dieser Vertrag.
Das bedingungslose Grundeinkommen befriedet die Gesellschaft
Mit dem bedingungslosen Grundeinkommens (bGE) wird das Recht auf Faulheit eingelöst. So wird Gesellschaft befriedet, denn zum Arbeiten wird kein Wille gebrochen, niemand wird genötigt zu arbeiten. Das bestmögliche Ziel eines Gesellschaftsvertrages wird erfüllt, denn diese Gesellschaft wird in dem wesentlichen Teil der Tauschverhältnisse zwangsfrei, Arbeit wird also intrinsisch frei. Auf zum Reich der Freiheit, jenseits des Reichs der Notwendigkeit.
Gewaltfreiheit auch für die Abweichler
Die gleiche Logik gilt bei der Pädagogik (insbesondere wenn ihr missionierende Motive zugrunde liegen sollten), aber typischerweise bei der medizinalisierten Gewalt der Zwangspsychiatrie.
Ein Lernerfolg bzw. eine Verhaltensänderung muss vom Betroffenen gewollt sein. Die betroffene Person muss zumindest mitspielen, eigentlich sollte sie sogar die treibende Kraft sein. Nur dann geht das alles gewaltfrei und kann überhaupt erfolgreich sein. Sobald Zwang auch nur versucht wird anzuwenden, bzw. damit gedroht wird, wird die Beziehung vom Helfenden zum Geholfenen „korrumpiert“. Nur wenn der Helfende erklären, besser, überzeugend darlegen kann, wie die Hilfe aussieht, und wie sie helfen soll, kann Unterstützung gedeihen. Jedes Aufoktroyieren ist kontraproduktiv, ruft Widerstände und Ablehnung hervor. Jede Gewaltanwendung macht den vorgeblich „Helfenden“ in der sowieso asymmetrischen Beziehung beim Helfen zu einer Bedrohung und läuft Gefahr, ein tiefes und wahrscheinlich bleibendes Misstrauen über dessen Absichten zu schaffen.
Wiederum wäre der „Königsweg“ die Gewaltfreiheit der Beziehung. Sobald aber einseitig für gut, vernünftig oder wohl-ergehende Vorstellungen einer anderen Person übergestülpt werden, wird die damit überwältigte Person nicht nur nicht ernst genommen, sie wird gedemütigt, übergangen, willenlos gemacht, ja entmündigt und u.U. sogar bis zu einem Stück sich bewegenden Fleisches entmenschlicht. All das sind die mehr oder weniger extrem negativen Resultate, wenn Menschen genötigt werden. So zeigen sich das Recht auf Faulheit und eine zwangsfreie Psychiatrie als zwei Seiten derselben Medaille, wenn auch die unmittelbaren Mittel der Einsperrung und Körperverletzung in der Zwangspsychiatrie viel weitergehender und drastischer sind. Bei der Inanspruchnahme des Rechts auf Faulheit (so lange das bGE noch nicht durchgesetzt ist), kann man sich wenigstens noch durch Betteln und die Tafeln in Freiheit über Wasser halten und wird nicht durch körperverletzende Zwangsbehandlung bedroht [sowieso sollte man sich mit einer PatVerfü gegen die Zwangspsychiatrie absichern, siehe http://www.patverfue.de].
Gewaltfreiheit der Menschen untereinander wird in den UN-Menschenrechten durchdekliniert. Dabei entsteht allerdings ein Paradox dann, wenn die Gewaltfreiheit mit Gewalt durchgesetzt werden soll, weil mit guten Worten sich nichts mehr ändern lässt, bzw. sie wirkungslos geworden sind. Anzumerken ist, dass sich dann typischerweise und regelmäßig der Zwang- und Gewalt-Anwendende zum „Opfer“ erklärt, um damit seinen Angriff bzw. Übergriff als „Verteidigung“ zu rechtfertigen. Das ist auch deshalb sehr fragwürdig, weil man dann, wenn man sich selbst zum „Opfer“ stilisiert, die eigene Machtlosigkeit behauptet.
Arbeitsfähigkeit als Ziel der Nötigung zu „geistiger“ Gesundheit
Der Zusammenhang von Nötigung zur Arbeit und angeblicher „Hilfe“ durch die Psychiatrie zeigt sich insbesondere auch darin, dass letztere typischerweise mit dem Ziel der Arbeitsfähigkeit geleistet wird. Dieses Ziel ist die Vorgabe der im Wesentlichen durch Versicherungen bezahlten Leistungen des medizinischen Apparats. Wenn nicht mehr zur Rehabilitation therapiert wird, wird tendenziell nur noch verwahrt, abfällig umschrieben als „satt und sauber“ Pflege.
Mit der Verwirklichung des Rechts auf Faulheit wird also nicht nur Vernunft herausgefordert, wenn argumentiert wird, dass dann, wenn alle faul wären, nichts Notwendiges mehr produziert würde. Unterschlagen wird dabei, dass die Unterstellung, alle wollten immer nur faul sein, falsch ist. Dabei wird so getan, als ob es keine intrinsische Motivation zum tätig sein gäbe. So war es auch ein Fehler marxistischen Denkens, Bedürfnisse vernunftsbasiert zu konzeptualisieren, statt deren emotionalen und geradezu unvorhersehbaren Charakter zu verstehen. Ja, die Konzentration von Marx auf Interessen ist gut und richtig, Aber sie auf Produktionsverhältnisse anzuwenden, die dann „vernünftig“ zu organisieren seien, wurde mit der Planwirtschaft versucht und scheiterte. Denn sie kann nur sehr eingeschränkt den vielfältigen, mitunter sogar widersprüchlichen Interessen, Wünschen, Hoffnungen und Vorstellungen der Individuen Rechnung tragen. Diese werden der Bevölkerung von den im Sozialismus Herrschenden vorgegeben, bzw. in Psychosprache auf sie „projiziert“. So werden die Vorgaben für die in Zukunft zu erreichenden Ziele gesetzt, statt dass diese durch den Austausch in einem im Wesentlichen freien Marktgeschehen abgebildet werden, bzw. zum Ausdruck kommen. Die Freiheit der Entwicklung von Bedürfnissen, Moden und Hypes wird negiert, bzw. diese sollen kanalisiert, vernünftig vorherbestimmt und dann abgearbeitet werden. Während der Abschluss von Verträgen mit freier Preisbildung der Befriedigung der Vertragsschließenden dient, wird in einer Planwirtschaft alles zu einem Vernunftdiktat. Die marxistische Terminologie des „Klassenkampfes“ unterschlägt einen anderen Interessenskonflikt völlig, nämlich den zwischen Menschen, die u.U. auch gar nicht arbeiten wollen und den „Fleißigen“, die der Ansicht sind, es müsse unbedingt gearbeitet werden.
Sobald all das „Vernünftige“ beim Produzieren aufgegeben wird, erweitern sich die Spielräume so, dass auch die Transferleistungen leichter an die geleistet werden können, die beim Arbeitsreigen nicht mitmachen wollen, eben die Faulen, die nur ihr Recht aufs Faul sein genießen wollen, auch wenn das mit gewissen Einschränkungen gegenüber den Einkommen der Fleißigen verbunden sein mag. Dafür braucht auch keine rationalisierende „Begründung“ mehr angegeben zu werden, wie es typischerweise auch eine Krankheitserklärung ist. Man muss nicht mehr arbeitsunfähig sein, es ist hinreichend, dass man nicht arbeiten will (zumindest nicht zu den angebotenen Bedingungen).
So übersetzt sich das Recht auf Faulheit (das der Schwiegersohn von Karl Marx, Paul Lafargue, als erster so klar formuliert hat) zu einem Transformator hin zu einer Arbeit aus Freude und aus „Befriedigung“, weg von frustrierendem Tätigsein. Mitunter wird sogar Arbeiten nur um des Arbeiten Willens bezahlt, wie es etwa bei ABM (Arbeitsbeschaffungs-) Maßnahmen der Fall ist. Mit dem Recht auf Faulheit eröffnet sich die Perspektive, dass Arbeit zum Vergnügen wird (durch dekliniert hier: http://www.iaapa.de/zwang3_dt/menschenrechte_vernunft.htm)
Das Versicherungsmodell für das Recht auf Faulheit
Ein Beispiel, bei dem der Zusammenhang zwischen bGE und Krankheitserklärung offenkundig wird: Niedergeschlagenheit, medizinisch verbrämt als „Depression“. Sie ist regelmäßig verbunden mit Angst und Hoffnungslosigkeit. Diese werden am besten bekämpft, indem es ein verbindliches Recht auf nicht arbeiten-wollen-müssen gibt. Das ist dann auch kein verkapptes Betteln und keine Abhängigkeit von Transferleistungs-Gebern, wenn das Recht auf Faulheit als eine Versicherungsleistung angelegt würde. Die Versicherungsleistung ist die „Belohnung“ dafür, dass man für das nicht arbeiten-wollen-müssen wahrscheinlich bereit sein müsste, wenn gearbeitet wird, erhöhte Sozialabgaben zu bezahlen. Das führt zu dem Vorschlag, wie das bGE verwirklicht werden sollte, ohne die Abhängigkeit des Individuums vom Staat zu erhöhen. Dafür sollte das Recht auf Faulheit von den Lohn- und Gehaltsabhängigen direkt untereinander gewährleistet werden, z.B. durch die alleinige Verwaltung der Sozialleistungen, insbesondere der Rente und des Arbeitslosengeldes. Deren Bemessung ist Teil der Tarifauseinandersetzungen um Lohn und Gehalt. Der Staat sollte lediglich als „Notar“ die korrekte Abwicklung gewährleisten. So würde eine neue Versicherung gegen unangenehme Tätigkeiten verwirklicht werden.
Disclaimer
Einem Trugschluss muss entgegengetreten werden, dass mit dem Recht auf Faulheit alle Probleme gelöst wären, sozusagen das Paradies auf Erden sich verwirkliche. Nur die gesellschaftlichen Umstände hätten sich so verändert, dass der Wille der Menschen nicht länger durch Nötigung manipuliert bzw. Menschen existentiell bedroht werden. Davon unbenommen sind aber oft vorhandene innere Widersprüche bzw. Ambivalenzen, die vehement verteidigt werden. Z.B. gehört zur protestantischen Arbeitsethik ein innerer Arbeitszwang, nach welchem man sich zu arbeiten verpflichtet fühlen soll. Solche subjektiven Umstände sind allerdings nur subjektiv, also jeweils individuell zu überwinden.
In diesem Sinne wäre vielmehr genau das Gegenteil von Arbeits- und Beschäftigungs“therapie“ anzustreben: Mit Freude das Nichtarbeiten zu „ertragen“. Ja, das ist insofern sogar zu fordern, damit nicht durch Schwarzarbeit diese Versicherung hintertrieben wird und damit der Solidargemeinschaft Mittel entzogen würden.
© Rene Talbot und Sylvia Zeller