Zur Geschichte und Entwicklung der Psychiatriekritik
Sylvia Zeller
Zur Geschichte und Entwicklung der Psychiatriekritik, der Antipsychiatrie und der Verwendung des Begriffs Antipsychiatrie
Die moderne Irrenanstalt als Kind der Aufklärung
Um 1800 entstanden die ersten modernen, staatlichen Irrenhäuser. Nach eigenem Selbstverständnis waren es Reformprojekte, geprägt vom Geist der Aufklärung, welche mit dem ausdrücklichen Versprechen kulturellen Fortschritts auf Basis des Vernunftgebrauchs auftrat und ein neues Menschenbild propagierte. Dieses sollte zu einem Paradigmenwechsel im Umgang mit „Verrückten“ führen. Die nunmehr gegründeten Anstalten folgten im Gegensatz zu den Verwahr-, Disziplinierungs- und Verwaltungspraktiken der früheren feudalen Toll- und Arbeitshäuser einem neuen Leitbild nach Förderung, Anregung und Behandlung der Insassen. [1]
Die Unvernunft sollte durch vernünftiges Handeln überwunden werden, „denn zu meinen, man müsse nur die irrational unberechenbaren Triebe und Begierden unter die Kontrolle des Rationalen bringen, war natürlich überall charakteristisch für die Aufklärung.“ [2]
Wissenschaftliche Erklärungsversuche und Medizinalisierung in Bezug auf menschliches Verhalten bekamen Aufwind, denn es erschien wünschenswert, auch soziale und psychische Phänomene in kausale Modelle und Gesetzmäßigkeiten zu systematisieren. Indem abweichendes Verhalten als Krankheit eingestuft, also als unlogisch oder irrational bewertet wurde, erschien es heilbar und damit vermeidbar.
Die Aufklärung trat mit dem Anspruch auf, den Menschen von seinen religiösen und ständischen Determinierungen zu befreien. Die französische Revolution legte die Grundlage für die Idee der Gleichheit aller Menschen und damit der Menschenrechte. Allzu rasch wurde jedoch das Postulat Lesen Sie mehr »