DGSP auf dem Holzweg! So wird keine Psychiatrie je gewaltfrei.
Die DGSP Jahrestagung am 11.-13. November in Bremen wurde von einer gemeinsamen Demonstration von dem BPE und die-BPE am Tagungsort begleitet. Unter dieser Überschrift wurde die Jahrestagung der DGSP 2021 kritisiert :
DGSP auf dem Holzweg!
„Natürlich machen wir weiter“
Zitat Ilse Eichenbrenner in „Soziale Psychiatrie“ 3/2000*
Wer Menschenrechte relativiert, versucht deren Missachtung zu rationalisieren, „unteilbare Menschenrechte zu zerschnibbeln, gewibbelt punktuell zu halten“, charakterisiert Wolf-Dieter Narr 2005 das in seiner Laudatio auf Thomas Saschenbrecker.**
Zur Veranschaulichung: Z.B. sind ein Apartheitsregime, Sklaverei und Folter Menschenrechts-Verbrechen. Genauso ist die Zwangspsychiatrie inzwischen von verschiedenen Gremien der Vereinten Nationen, insbesondere dem Fachausschuss der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und dem Sonderberichterstatter über Folter als unvereinbar mit den Menschenrechten erkannt worden. Wer nun immer noch von einer „Reduzierung psychiatrischer Zwangsmaßnahmen“ faselt, redet wie von einer „Reduzierung der Sklaverei“, einer „Minderung der Apartheid“, fordert nach dem Motto: „Folter muss sein, wir versuchen sie zu minimieren“. So wird nur geheuchelt, Menschenrechte beachten zu wollen, um damit reineren Gewissens weiter misshandeln zu können. Die DGSP folgt der WPA bzw. dem, was der Präsident deren Ethikkomitees, Prof. Paul Appelbaum im WPA-Journal Febr. 2019 vorgegeben hat: „Die UN-Behindertenrechtskonvention zu ignorieren, neu zu interpretieren oder zu ändern“, und auch, dass die psychiatrischen Fachgesellschaften die Regierungen dazu bewegen sollten, „das Übereinkommen zu ignorieren“***. Die DGSP macht sich damit zum Komplizen derer, die so weiter machen wollen, denn sie wollen nur unterstützen, dass „Sklaverei“ zwar „gemindert“, aber weiter gehe, dass die Apartheit „reduziert“ fortgesetzt wird, also gerade nicht als Menschenrechts-Verbrechen erkannt werden, die sie sind. Das kann nur der Versuch einer Rationalisierung und Be-schönigung der eigenen Gewaltherrschaft und Unterdrückung sein, um damit Legitimität vorzutäuschen.
Entsprechend fällt das Programm dieser DGSP Jahrestagung 2021 aus:
- Menschenrechte – »Öl« im Getriebe der Psychiatrieentwicklung“. Sabine Bernot, vertreten durch Dr. Jana Offergeld vom Deutschen Institut für Menschenrechte spricht also von „Öl im Getriebe der Apartheid“. Die treibende Kraft der Psychiatrie ist der Zwang oder die Drohung mit Zwang und dafür kann es kein Öl geben, sondern nur dessen Abschaffung – aber das Institut begnügt sich mit dessen Protokollierung, hat sich für seinen Finanzier zu einem Deutschen Institut für Regierungsgefälligkeiten gebeugt.
- Situativ: Auf dem Weg zu einer gewaltfreien Psychiatrie
Tatsächlich zeigt der Referent Stephan Debus mit seinem „Modellprojekt“ www.srzp.de das Musterbeispiel, wie Täter versuchen, sich selber zum Opfer zu stilisieren, um nicht nur ihre Schuld zu negieren, sondern auch um erhebliche Summen von Forschungsgeldern zu mobilisieren, weil angeblich die „armen“ Pflegenden leider Gewalt ausüben MÜSSTEN. Dabei ist es ein Macht- und Gewaltverhältnis: Die Gefangenen können sich nicht wehren, das psychiatrische Personal setzt so oder so die ‚Maßnahmen‘ durch. - Psychiatrie ohne Gewalt – geht das? Der Klassiker: Baumwollplantagen ohne Sklaven – geht das? So fragt nur jemand, der weiter Plantagen mit Sklaven betreiben will und wird.
- Safewards – Weg zur Gewaltreduzierung. Also Gewalt reduzieren, statt die Gefangenschaft zu beenden.
- Wie lassen sich S3 Leitlinien in der Praxis umsetzen?
Auch bei den S3 Leitlinien geht es mitnichten um die Abschaffung von Zwang und Gewalt, sondern nur um deren Reduzierung. Wohldosierte Menschenrechtsverletzung! - Wie geht die Psychiatriereform in Bremen weiter und was ist dafür auf die Bundesperspektive übertragbar? Der Psychiatriereferent von Bremen, Jörg Utschakowski, fragt was von Bremen auf die Bundesebene übertragbar sei. Dabei müsste aber Bremen zuerst eine tatsächliche Reform der Psychiatrie bewerkstelligen, indem das Land Bremen mit seiner Gesetzgebungs-Kompetenz den Zwang in der Psychiatrie abschafft, z.B. indem im PsychKG UN-BRK-konform alle Zwangs- und Gewaltelemente gestrichen werden. Das Land Bremen ist mit 235 Zwangseinweisungen nach PsychKG pro 100.000 Einwohner pro Jahr sogar einsamer Spitzenreiter unter allen Bundesländern. Vergleichszahlen aus anderen Bundesländern z.B. Brandenburg 42, oder Berlin 77!
Aber dieses politische Projekt traut sich die Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard mit ihrem Psychiatriereferenten offenbar nicht anzupacken. Auf den Brief mit dem Angebot von dem BPE und die-BPE gemeinsam mit ihr eine Tagung Gewaltfreie Psychiatrie! zu planen und zu organisieren wurde seit dem 18. September trotz Erinnerung nicht geantwortet. Martin Zinkler als neuen Chefarzt der Psychiatrie ins Zentralkrankenhaus Bremen Ost zu holen, kann dann nur noch so verstanden werden, dass er nach Bremen geholt wurde, um ihn als ein Feigenblatt vorzuzeigen, aber gleichzeitig dessen wegweisendes Konzept einer gewaltfreien Psychiatrie zu ignorieren. Zum das Nachlesen siehe hier. Dabei hatte die Partei DIE LINKE in den drei vergangenen Bundestagswahlprogrammen 2013, 2017, 2021 folgendes versprochen: „Rechtliche Diskriminierung, insbesondere über psychiatrische Sondergesetze und ärztliche oder betreuungsrechtliche Zwangsbefugnisse, ist aufzuheben.“ Alles doch nur Heuchelei? Das müsste man sich merken.
Übrigens, Prof. Peter Kruckenberg der Bremer DGSP-Influencer, der seit dem Urteil des Foucault Tribunal 1998 (www.foucault.de) darüber informiert ist, dass die Menschenrechte in der Psychiatrie nur durch die Abschaffung der Zwangspsychiatrie und durch eine Gewaltfreie Psychiatrie! verwirklicht werden können, hält offenbar auch weiter an Zwang und Gewalt in der Psychiatrie fest.
So wird keine Psychiatrie je gewaltfrei.
* www.antipsychiatrie.de/io_10/wir_machen_weiter.htm
** www.irren-offensive.de/jubi/narr.htm
*** https://tinyurl.com/2hfzzcc8
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Die stationäre Demonstration fand am Donnerstag, 11.11. und am Freitag, 12.11.2021 statt.
Wir sammelten uns ab 10.00 Uhr vor den drei Eingängen zum Bürgerhaus Vahr, Berliner Freiheit 10, Ende gegen 16.00 Uhr.
Der Text der Kritik ist als pdf hier zum runterzuladen.