„Freiheit zur Krankheit“: BGH stärkt die Selbstbestimmung
Den vielen ängstigenden und negativen Berichten derzeit wollen wir eine positive Nachricht entgegenstellen:
Es gab am 3. Juli 2019 eine Entscheidung des BGH mit dem Az: 5 StR 393/18
In Randnummer 29 und 30 wird die Rechtsprechung ausgiebigst zitiert, die perfekt für die PatVerfü passt:
(1) Nach dem Grundgesetz ist jeder Mensch grundsätzlich frei, über den Umgang mit seiner Gesundheit nach eigenem Gutdünken zu entscheiden (BVerfG, NJW 2017, 53, 56). Die Rechtsprechung leitet aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art.2 Abs.1 Satz 1 GG) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art.2 Abs.1i.V.m.Art.1 Abs.1 GG) eine „Freiheit zur Krankheit“ ab, die es grundsätzlich einschließt, Heilbehandlungen auch dann abzulehnen, wenn sie medizinisch angezeigt sind (vgl. BVerfG,aaO; siehe auch BGH, Beschluss vom 17. September 2014 –XII ZB 202/13, BGHZ 202, -14-226, 236; jeweils unter Berufung auf Art.2 Abs.2 Satz 1 GG: BVerfGE 128, 282, 304; 129, 269, 280; 133, 112, 131). Selbst bei lebenswichtigen ärztlichen Maßnahmen schützt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten eine Entschließung, die aus medizinischen Gründen unvertretbar erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar1984–VI ZR 174/82, BGHZ 90, 103, 111). Das Grundgesetz garantiert dem Individuum das Recht, in Bezug auf die eigene Person aus medizinischer Sicht Unvernünftiges zu tun und sachlich Gebotenes zu unterlassen (vgl.LK-StGB/Rissing-van Saan, aaO, § 216 Rn. 26). Jeder einwilligungsfähige Kranke hat es danach in der Hand, eine lebensrettende Behandlung zu untersagen und so über das eigene Leben zu verfügen (vgl. Kutzer, ZRP 2012, 135, 136).
(2) Darüber hinausgehend gebietet es die Würde des Menschen, sein in einwilligungsfähigem Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht auch dann noch zu respektieren, wenn er zu eigenverantwortlichem Entscheiden nicht mehr in der Lage ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2003 –XII ZB 2/03, BGHZ154, 205). Mit der gesetzlichen Regelung der Patientenverfügung in §1901a BGB durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl. I 2286) hat der Gesetzgeber die Verbindlichkeit des Willens des Patienten für Behandlungsentscheidungen über den Zeitpunkt des Eintritts seiner Einwilligungsunfähigkeit hinaus klarstellend anerkannt, wobei es auf Art und Stadium der Erkrankung nicht ankommt (§1901a Abs.3 BGB). Dabei ging auch er davon aus, dass das Selbstbestimmungsrecht des Menschen „das Recht zur Selbstgefährdung bis hin zur Selbstaufgabe und damit auch auf Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen unabhängig von der ärztlichen Indikation der Behandlung“ einschließt (BT-Drucks. 16/8442, S. 8). Der Bundesgerichtshof hat demgemäß einen Behandlungsabbruch – losgelöst von der Begehungsform – als gerechtfertigt angesehen, wenn er in Ansehung von §1901a BGB dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen(vgl. BGH, Urteil vom 25.Juni 2010 –2 StR 454/09, BGHSt 55, 191, 199, 203 f.).
Eine Diagnose gegen den Willen, der durch die vorweg festgelegten Verfügungen in der Patientenverfügung ein Freier ist, ist deswegen selbstverständlich illegal und kann keine psychiatrische Zwangsmaßnahme rechtfertigen.