Wahlempfehlungen zur Wahl des Abgeordnetenhauses in Berlin
Folgende Fragen hat die-BPE der CDU, SPD, Linke, Grüne, Piraten und FDP jeweils mit der Bitte um Antwort als Wahlprüfsteine und mit einem Hinweis auf anschließende Veröffentlichung gestellt:
(1) Schließt sich die ….. in Berlin der Sichtweise an, dass psychiatrische Zwangsbehandlung eine Foltermaßnahme bzw. grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ist, wie sie vom UN-Berichterstatter über Folter und dem UN-Fachausschuss für die Rechte von Behinderten disqualifiziert wurde?
(1a) Wenn Nein, warum nicht?
(2) Setzt sich die ….. in Berlin für eine konsequent gewaltfreie und damit menschenrechtskonforme Psychiatrie ein?
(3) Unterstützt die ….. in Berlin die Forderung nach der Abschaffung psychiatrischer Sondergesetze (PsychKG), so wie es durch die UN-Behindertenrechtskonvention vergeschrieben ist?
(3a) Wenn Nein, warum nicht?
(3b) Wenn Ja, wird die ….. in Berlin in der kommenden Legislatur einen entsprechenden Gesetzgebungsvorschlag zur Abschaffung aller Zwangselemente im PsychKG in den Landtag und/oder die Landesregierung einbringen?
(4) Ist die ….. in Berlin bereit, nicht nur auf Landesebene, sondern auch auf Kreis- und Kommunalebene den Sozialpsychiatrischen Dienst auf bedingungslose Gewaltfreiheit festzulegen?
(4a) Wenn Nein, warum nicht?
Ergebnisse der Umfrage:
- Die SPD hat die Fragen völlig igoriert und nicht geantwortet. Wir raten von deren Wahl ab.
- Die Antwort der CDU ist hier dokumentiert. Die CDU präsentiert sich wie die SPD in Berlin als eine Partei der Foltergesetzmacher. Besonders erschreckend ist, dass die CDU Zwangsbehandlung den Ärzten frei überlassen will und damit die Stellungnahme von Papst Franziskus völlig ignoriert, der diese als Folter bezeichnet hat, siehe hier. Wir können nur von deren Wahl abraten.
- Die Antwort der Linke ist hier dokumentiert. Zwar verspricht DIE LINKE, sich konsequent für eine gewaltfreie und damit menschenrechtskonforme Psychiatrie einzusetzen. Sie ist aber wortbrüchig, wenn sie nicht bereit ist, psychiatrische Zwangsbehandlung immer als grausam, unmenschlich oder erniedrigend anzuerkennen, wie sie sowohl durch das BRK Komitee als auch von dem UN-Sonderberichterstatter über Folter disqualifiziert wurde. Besonders auffällig ist, dass DIE LINKE offenbar in unverbrüchlicher Treue zu dem medizinischen Personal nicht einmal bereit ist, gegenüber den Tätern das Wort Folter in den Mund zu nehmen. Damit hat DIE LINKE ein erhebliches Glaubwürdigkeits-Defizit und wir können nur von deren Wahl abraten.
- Die Antwort der Grünen ist hier dokumentiert. Zwar versprechen die Grünen, sich konsequent für eine gewaltfreie und damit menschenrechtskonforme Psychiatrie einzusetzen. Sie scheuen aber, sich der Sichtweise des UN-Berichterstatters über Folter und dem UN-Fachausschuss für die Rechte von Behinderten anzuschließen, nämlich dass psychiatrische Zwangsbehandlung Folter ist. Stattdessen weichen sie aus, um es einer subjektiven Sichtweise der Betroffenen anheimzustellen, dass eine psychiatrische Zwangsbehandlung als grausam und erniedrigend wahrgenommen und bezeichnet werden kann.
Wie ambivalent die Grünen tatsächlich sind, offenbart sich in dieser Antwort:In manchen Extremfällen kommt es aber zu der existenziellen Güterabwägung zwischen „Anwendung von Zwang“ auf der einen und „Gefährdung oder Verlust des Lebens“ auf der anderen Seite. In diesen Fällen erscheint uns die Möglichkeit, Zwang anzuwenden, sinnvoll, solange keine anderslautende Erklärung vorliegt. Dies wollen wir auch zukünftig abgesichert haben.
Sie widersprechen damit dem Ziel der Folterfreiheit, weil sie die Freiheit von psychiatrischer Zwangsbehandlung nicht als selbstverständliche Grundrechts-Freiheit akzeptieren, sondern verlangen, nur durch eine entsprechende Patientenverfügung solle Folterfreiheit – sozusagen ausnahmsweise – gewährt werden. Sie widersprechen damit auch insgesamt dem Geist des Patientenverfügungsgesetzes. Dieses gesteht zu, sich medizinisch zu gefährden und sterben wollen zu dürfen und jegliche Zwangsmaßnahmen auszuschließen – nicht nur schriftlich explizit, sondern auch dann, wenn man nie geäußert hat, zwangsbehandelt werden zu wollen und sich aktuell dagegen wehrt. Dann gibt es für einen mutmaßlichen Willen, zwangsbehandelt zu werden – also Körperverletzung erdulden zu wollen – keinerlei konkrete Anhaltspunkte. Diese werden aber explizit im § 1901a (2) BGB gefordert: Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln.
Für enger gefasste Zwangbehandlung befürworten die Berliner Grünen eben doch ein Sondergesetz und widersprechen damit ihrer vorher geäußerten Behauptung, Gesetze entsprechend der BRK aufzuheben, die eine Benachteiligung bzw. Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstellen.
Die Grünen haben damit ein erhebliches Glaubwürdigkeits-Defizit, weil sie die Freiheit von zu erduldender psychiatrischer Körperverletzung nur bedingt zu gewährleisten bereit sind. Dass das auch innerhalb der Grünen anders gesehen werden kann, zeigt das Interview mit dem Grünen Bezirkspolitiker Jens-Holger Kirchner, dazu bitte die Dissidentenfunk-Sendung am 14.9. genau anhören.
Aus diesem gleichzeitigen Hü und Hott eine Schlussfolgerung zu ziehen bzw. eine Wahlentscheidung zu treffen, möchten wir den Leserinnen und Lesern überlassen. - Die Antwort der FDP ist hier dokumentiert. Die FDP verspricht zwar auf Landes- und Bezirksebene den sozialpsychiatrischen Dienst auf bedingungslose Gewaltfreiheit festzulegen. In deutlichem Widerspruch dazu ist aber in den Antworten auf die Fragen davor immer nur von einer möglichst gewaltfreien Psychiatrie die Rede. Die psychiatrischen Sondergesetze sollen auf einmal keine solchen sein, und die Sichtweise des UN-Berichterstatters über Folter und dem UN-Fachausschuss für die Rechte von Behinderten wird bestritten. Wir stellen deshalb ein erhebliches Glaubwürdigkeits-Defizit fest und können nur von deren Wahl abraten.
- Die Antwort der Piraten ist hier dokumentiert. Als einzige stehen die Piraten bedingungslos zur Behindertenrechtskonvention und sind ohne irgendein Wenn und Aber bereit, das Folterverbot konsequent zu verteidigen. Abgesehen davon sind die Piraten immer noch die einzige Partei, die ein bedingungsloses Grundeinkommen in ihrem Programm haben, dem viele von „uns“ große Sympathien entgegen bringen.
(Den letzten Umfragen zufolge sieht es so aus, als dass die Piraten die 5 % Hürde eventuell schaffen könnten, siehe hier, wie sonst sollten die 9 % für „Sonstige“ zu erklären sein.)
Unsere Wahlempfehlung: Piraten wählen.