Das Bundesverfassungsgericht ist übergeschnappt
Unser Kommentar zu dem Beschluss des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26.7.2016 – 1 BvL 8/15
Das BVerfG ist übergeschnappt
Hatte der 2. Senat in seiner Entscheidung 2011 nur die Möglichkeit eröffnet, Zwangsbehandlung unter bestimmten Umständen zu rechtfertigen, (die der Gesetzgeber gierigst aufgesogen hat, um ein Gesetz daraus zu machen,) so hat nun der 1. Senat die Zwangsbehandlung zur Pflicht erklärt, das heißt:
Damit hat der Staat Grundrechte, nicht der Bürger! Und Folter ist Grundrecht des Staates.
Das BVerfG hat also die BRD zum Folterstaat gemacht!
Darauf hatte die-BPE das BVerfG in einem Brief am 4. Mai 2016 hingewiesen, in dem der Beweis geführt wurde, Warum Einwilligungsunfähigkeit kein Kriterium zur Rechtfertigung von psychiatrischer Zwangsbehandlung sein kann.
Dieser Beweis wurde nun veröffentlicht und ist weiter unten ausgeführt.
Die Freiheitsrechte des Bürgers in Artikel 2 GG hat das BVerfG zu einem Freiheitsrecht des Staates uminterpretiert, um mit dieser Freiheit angeblich eine „Schutzpflicht“ gegen die unterworfenen Bürger zu exekutieren – die Hüter der Verfassung sind zu deren Beerdigungsinstitut geworden. Prof. Dietmar Kamper hatte nur zu Recht, als er 1998 hier schrieb:
Andererseits hat der Wahn als die Nachtseite der Vernunft die gegen ihn errichteten Verteidigungsanlagen unterminiert. Eine vollkommen paradoxe Situation ist entstanden: die Hochburgen der Vernunft sind Spielplätze des Irrsinns geworden.
Diese Stellungnahmen der Betroffenen-Organisationen hat das BVerfG schlicht übergangen:
- Noch bevor die-BPE die Aufforderung des BVerfG zu einer Stellungnahme erreicht hatte, schrieb die-BPE am 22. Juli diesen Brief.
- !!unbedingt lesen!! Der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener ließ von RA Dr. Schneider-Addae-Mensah eine Stellungnahme mit einer brillianten juristischen Argumentation erarbeiten, die inzwischen hier veröffentlicht ist. !!unbedingt lesen!!
- Am 28. Oktober 2015 reagierte die-BPE auf die veröffentlichte Stellungnahme anderer mit einem offenen Brief ans BVerfG.
- Am 4. November legte die-BPE diesen weiteren offenen Brief nach.
Das BVerfG hat ein Musterbeispiel dafür gegeben, für das Herbert Marcuse den Begriff der „repressiven Toleranz“ als Herrschaftsinstrument geprägt hat: es wird so getan, als ob ganz tolerant zu einer „Stellungnahme“ eingeladen würde, „Beteiligung“ sollte aber nur vorgetäuscht werden. Tatsächlich diktiert das BVerfG dann die brachialste Strafe vor der Todesstrafe, zu erduldende Körperverletzung, und präsentiert das als staatliche Folter“pflicht“. Mit der Einladung zur Stellungnahme hat das BVerfG also nur so getan als ob unsere Meinung Bedeutung habe; es ging um die Simulation eines Gehörs, um fälschlich behaupten zu können, die Betroffenen seien beteiligt worden, wo hingegen das BVerfG in der Entscheidung nur lapidar feststellt, Zitat:
Der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V. und die Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V. sehen in § 1906 Abs. 3 BGB hingegen lediglich eine Eingriffsnorm. Eine ärztliche Zwangsbehandlung könne nicht als Begünstigung angesehen werden. Es müsse immer der Patientenwille gelten. § 1906 Abs. 3 BGB sei schon deswegen verfassungswidrig, weil er Zwangsbehandlungen überhaupt ermögliche.
Selbst der rechtspolitische Korrespondent der Taz, Christian Rath, kommentiert am 26.8. „.. das Urteil der Karlsruher Richter überzeugt nicht“, siehe hier.
Ein Komplott des BVerfG und der Regierung gemeinsam mit der Opposition.
Jetzt kann und soll hemmungslos die ambulante Zwangsbehandlung für täuschend „Betreute“ Genannte durchgesetzt werden. Das neue Bezahlsystem „Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG)„, das von Gesundheitsminister Gröhe (CDU) auf Wunsch der SPD, DGPPN, DGSP, Ver.di und anderen HiWis vorgelegt wurde, in unmittelbarer Verbindung mit der Entscheidung des BVerfG läßt nur einen Schluss zu: endlich soll es auf breiter Front mit ambulanter Zwangsbehandlung los gehen – das Bohren des BGH, körperverletzende medizinisch-psychiatrische Gewalt überall in den Gemeinden durchzusetzen, hat Erfolg gehabt.
Rette sich wer kann – das BVerfG stellt jede/n vor die Wahl:
Entweder PatVerfü oder Messer frei für die Chirurgen und Spritze frei für die Psychiater.
Die PatVerfü ist die Ausnahme, die das BVerfG von der Folter-Verpflichtung des Staates zugelassen hat.
Da die Entscheidung des BVerfG speziell bei Entmündigten – zur Täuschung „Betreute“ Genannte – sofort greift, ist es also dringender denn je, niemals in die Falle so einer (Zwangs-)“Betreuung“ zu geraten. Das kann nur eine PatVerfü zuverlässig verhindern. Sie ist also für jeden Erwachsenen ein Muss, dem an seiner Selbstbestimmung gelegen ist und der nicht gerichtlich zu einem Stück hirnkranken Fleisch zur freien Verfügung von Ärzten erklärt werden will.
Unsere Reaktion auf dieses Urteil ist also, die PatVerfü so zu verstärken, dass die Einrichtung einer Betreuung bei einer mit einer PatVerfü geschützten Person rechtsbeugend würde. Dazu empfehlen wir – außer den im PatVerfü Handbuch genannten Maßnahmen – nun die PatVerfü immer notariell zu beurkunden.
Zusätzlich soll ein Rechthilfefonds gegründet werden, der das finanzielle Prozess-Risiko bei jedem Versuch einer Zwangsbetreuung gegen eine so abgesicherte PatVerfü trägt (siehe auch „Psychiatrie ist nackte Gewalt“).