Rechtsunsicherheit per Gesetz

urteilImmer offensichtlicher wird bei den JuristInnen, auf was für einen rechtlichen Abweg sich der Gesetzgeber mit der im Januar 2013 beschlossenen Zwangsbehandlung im Betreuungsrecht begeben hat: Er hat Rechtsunsicherheit per Gesetz geschafffen, die wir gezielt nutzen sollten (siehe auch hier)
Nicht nur die Kritik von RA Loeschner, dass das Gesetz nicht verfassungskonform ist, beweist das, sondern das zeigt ganz aktuell auch der Kommentar von RA Dr. Martin Fuhrmann zu einem Aufsatz von Professor Dr. Walter Zimmermann in der NJW 2014, Seite 2479 in „Jurion“:

Praxisprobleme der ärztlichen Zwangsbehandlung bei Betreuten
Welche Schwierigkeiten birgt die ärztliche Zwangsbehandlung von Betreuten? – Prof. Zimmermann zum Beschluss des BGH vom 4.6.2014, XII ZB 121/14
Zitat daraus, alle Betonungen von uns:

… Bei einer stationären Unterbringung regele § 1906 Abs. 3, 3a BGB die Zulässigkeit der ärztlichen Zwangsbehandlung. Hierfür müssen fünf Voraussetzungen kumulativ vorliegen, u.a. müsse zuvor versucht worden sein, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen.
Im o.g. Beschluss habe der BGH die Anforderungen an den Überzeugungsversuch konkretisiert, der eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung des Betreuers darstelle. Das Betreuungsgericht müsse in jedem Einzelfall einen Überzeugungsversuch feststellen und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise darlegen. Es müsse sich um einen ernsthaften Überzeugungsversuch handeln. Der Autor bezweifelt, dass die Ernsthaftigkeit nachprüfbar dargelegt werden könne. Ferner müsse der Überzeugungsversuch mit dem nötigen Zeitaufwand unternommen worden sein. Da die notwendige Zeit je nach Fall unterschiedlich lang sein dürfte, bestehe laut Zimmermann stets die Gefahr, dass die nächste Instanz den notwendigen Zeitaufwand im konkreten Fall anders einschätze als die erste Instanz. Ferner stelle sich die Frage, wie die nächste Voraussetzung – keine unzulässige Druckausübung beim Überzeugungsversuch – nachprüfbar dargelegt werden könne. Gleiches gelte für eine weitere vom BGH statuierte Voraussetzung, die im Gesetz nicht einmal angedeutet sei: Der Überzeugungsversuch müsse durch eine überzeugungsfähige und -bereite Person unternommen worden sein. Offene Fragen bestehen auch im Zusammenhang mit der Durchführung des Überzeugungsversuchs, etwa wer den Überzeuger auswählt und ob der Betreute weitere Überzeugungsversuche untersagen kann. …

Auf die Möglichkeiten mit diesem neuen Beschluss des BGH Psychiater in ein juristisches Chaos zu stürzen, wird auch schon in den Hinweisen für Verfahrenspfleger hingewiesen, siehe Vorschlag von Pittiplatsch:

In dem Beschluss vom 4. Juni 2014 – XII ZB 121/14 stellt der BGH fest, dass der in § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB erforderliche Überzeugungsversuch eine materiellrechtliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung durch den Betreuer ist, der mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entscheidende Bedeutung zukommt. Der Überzeugungsversuch muss ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks durch eine überzeugungsfähige und bereite Person unternommen worden sein, was das Gericht in jedem Einzelfall festzustellen und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise darzulegen hat.

Also lautet der Antrag, dass das Gericht ermitteln soll,

  • welcher Zeitaufwand aufgewendet wurde,
  • welcher wissenschaftlich erwiesen benötigt wird,
  • ob wirklich nie Druck ausgeübt wurde, auch nicht in drohenden Worten oder Bemerkungen,
  • ob es eine überzeugungsfähige Person war, die den Überzeugungsversuch gemacht hat,
  • festzulegen, was Kriterium für eine überzeugungsfähige Person ist usw.
  • ob diese Person schon gegenüber anderen psychisch Kranken Gewalt angewendet hat, und deshalb ungeeignet ist
  • welche anderen Kriterien die Überzeugungsfähigkeit einer Person einschränken bzw. verunmöglichen.