Wir trauern um Ernst Klee


Wir trauern um Ernst Klee.
Er ist letzte Woche verstorben.

Ernst Klee

Psychiatriepatienten und Behinderte, Obdachlose und Ausländer – es waren die Menschen am Rand der Gesellschaft, für die sich Ernst Klee einsetzte. Der Mann, der in Frankfurt zur Welt kam und vor dem Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn als Historiker, Sozialpädagoge und Theologe eine Lehre zum Heizungsbauer absolviert hatte, erzielte vor allem mit der Aufarbeitung der NS-Zeit eine breite, internationale Wirkung. Im Alter von 71 Jahren ist Ernst Klee nun gestorben. Er erlag in seiner Frankfurter Wohnung einer langen schweren Krankheit, wie der S. Fischer Verlag am Samstag mitteilte.  (Zitiert aus einer Meldung des Hessischen Rundfunks vom 18.5.2013)

Ernst Klee hat uns 1999 bei dem Kongress gegen den Weltkongress der Psychiatrie geholfen und einen bemerkenswerten Vortrag gehalten, der hier im Programm des Gegenkongressen dokumentiert ist:

Wer Täter ehrt, mordet ihre Opfer noch einmal
1940/41 werden in insgesamt sechs Vergasungsanstalten 70 273 Menschen ermordet. Das Gas liefern die IG Farben Ludwigshafen. Das Zahngold der Ermordeten bekommt die Degussa. Die Gehirne verarbeiten das Kaiser-Wilhelm-Institut für Gehirnforschung in Berlin und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Psychiatrie in München (beide heute Max-Planck-Institute).
Den Gasmord organisiert eine Zentralstelle in der Berliner Tiergartenstr. 4 (T4). Im August 1941 verordnet Hitler einen Vergasungsstopp. Dennoch wird weiter gemordet: mit Medikamenten, mittels Hunger, im Einzelfall per Elektroschock. Ein weltweit einmaliges Verbrechen: Psychiater versuchen, ihre Kranken auszurotten.

Die deutsche Psychiatrie brauchte die Nazis
Zwischen 1933 und 1945 geschieht nichts, was nicht Psychiater lange vor den Nazis gefordert hatten. Emil Kraepelin 1918: „Ein unumschränkter Herrscher, der … rücksichtslos in die Lebensgewohnheiten der Menschen einzugreifen vermöchte, würde im Laufe weniger Jahrzehnte bestimmt eine Abnahme des Irreseins erreichen können.“
Hermann Simon, Anstaltsleiter in Gütersloh, definiert 1931 den Personenkreis angeblich Minderwertiger: Körperschwache, Kränkliche, Schwächlinge, Schwachsinnige, Krüppel, Geisteskranke. Er kommt zu dem Schluß: „Es wird wieder gestorben werden müssen.“

Ernst Rüdin 1934: „Der Psychiater muß sich mit den Gesunden gegen Erbkranke verbünden … Dem hohen Zuchtziel einer erbgesunden, begabten, hochwertigen Rasse muß der Psychiater dienstbar sein.“ Rüdin, der die Zwangssterilisierung als „die humanste Tat der Menschheit“ bezeichnete, 1934 über Hitler: „Die Bedeutung der Rassenhygiene ist in Deutschland erst durch das politische Werk Adolf Hitlers allen aufgeweckten Deutschen offenbar geworden, und erst durch ihn wurde endlich unser mehr als dreißigjähriger Traum zur Wirklichkeit, Rassenhygiene in die Tat umsetzen zu können.“ 
Die deutsche Psychiatrie wurde von den Nazis nicht mißbraucht, sie brauchte die Nazis.

….Einer der meistgeehrten Psychiater der Nachkriegszeit war Prof. Helmut E. Ehrhardt, Mitglied der NSDAP ab 1937, Ordinarius für Gerichtliche und Soziale Medizin in Marburg. Ehrhardt tat sich vielfach als Weißwäscher der Nazi-Psychiatrie hervor. 1963 meinte er in einem Gutachten für das Bundesfinanzministerium: „Eine Entschädigungsregelung für die Sterilisierten würde in vielen Fällen zu einer … Verhöhnung des echten Gedankes der Wiedergutmachung.“ Ehrhardt wurde mit der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der deutschen Ärzteschaft, geehrt. Er war u.a. Mitglied des Beirats für Seelische Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation, des ethischen Komitees und der forensischen Sektion des Weltverbandes für Psychiatrie, zuletzt auch Ehrenmitglied.

Die Verhöhnung der Opfer hat Tradition: bereits 1946 ……….  Alles hier lesen 

Auch 2001 bei der Veranstaltung  „Geist gegen Gene“ hat Ernst Klee uns unterstützt und einen Vortrag gehalten: „Verständnis für Täter, Verhöhnung der Opfer“. Er ist mangels finanzieller Mittel für die Transkription leider nur hier anzuhören.

Zwei seiner Filme sind hier bei Youtube zu sehen:
Die Hölle von Ükermünde
Sichten und Vernichten