Institut für Menschenrechte: Gesetzentwurf unvereinbar mit UN-Behindertenrechtskonvention

Berlin, 10.12.2012: Die heutige gemeinsame Anhörung des Rechts- und Gesundheitsausschusses des Bundestages zur geplanten Legalisierung von Zwangsbehandlungen war eine Farce. Geplant als Pseudo- bzw. Pro-Forma-Anhörung machte der Ausschussvorsitzende, MdB Siegfried Kauder, in den ersten 5 Minuten klar, dass das angeblich „öffentliche“ der Veranstaltung nur vorgetäuscht war, tatsächlich aber eine Geheimanhörung abgezogen werden sollte. Deshalb verbot er sogar sofort einem beim Bundestag akkreditierten Journalisten, die Anhörung aufzuzeichnen und Bilder zu machen. Zuschauer, die dies kritisierten, wurden von Kauder sofort des Raumes verwiesen. So leerten sich die Zuschauerränge schnell.

Aber es gibt etwas äußerst Erfreuliches zu berichten: Nachdem bereits vor einigen Wochen Rechtsanwalt Thomas Saschenbrecker mit einem Gutachten den Nachweis erbrachte, dass das geplante Gesetz nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat heute auch die Monitoringstelle für die Behindertenrechtskonvention auf der Homepage des Deutschen Instituts für Menschenrechte öffentlich zu dem Inhalt des Gesetzgebungsverfahrens Stellung bezogen und klar gemacht, was für ein Anschlag auf die Menschenrechte und insbesondere die UN-Behindertenrechtskonvention dieses geplante Terrorgesetz ist.

Nur ein paar Zitate als Kostprobe:

  • Die Monitoring-Stelle empfiehlt, … dem Plenum zu empfehlen, den Gesetzesentwurf abzulehnen…
  • Zweifel an der Menschenrechtskonformität
    Es bestehen schwerwiegende Bedenken, ob der  Gesetzesvorschlag, auch in der veränderten Fassung vom 7. Dezember 2012, mit den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention in Einklang steht. Die Regelung zielt darauf, sich über den natürlichen Willen der betroffenen Person hinwegsetzen zu können und an die Stelle der persönlichen Entscheidung die Entscheidung Dritter zu setzen – eine so genannte ersetzende Entscheidungsfindung („substituted decision-making“). Im Lichte der aktuellen menschenrechtlichen Diskussion, wie sie auch in Studien des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (UN Doc. A/HRC/10/48 vom 26. Januar 2009) und in der Auslegungspraxis des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Zusammenhang der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen Ausdruck findet, ist der Ansatz, wonach eine psychiatrische Behandlung ohne freie und informierte Zustimmung der betroffenen Person, allein legitimiert über die Entscheidung Dritter vorgenommen werden soll menschenrechtlich in Frage gestellt.
  • Angemerkt sei, dass in Bezug auf das deutsche Betreuungsrecht (in Blick auf die Abkehr vom Vormundschaftsrecht eine große Errungenschaft)  die Diskussion geführt werden muss, ob das Betreuungsverhältnis  nicht schon auf Grund seiner Zielrichtung allein frei von Zwangsbefugnissen gehalten werden sollte, um zu erreichen, dass die Betreuenden auch in den Situationen der psychosozialen Krisen ihrer Betreuten die Schlüsselrolle als Rechtsgewährsperson erfüllen können und nicht gezwungen werden, auf die Seite derer zu wechseln, die in die Rechte eingreifen.
  • Das Konzept der „krankheitsbedingten Nichteinsichtsfähigkeit“ findet also im Wortlaut der UN-Behindertenrechtskonventionen selbst keinen Halt. Darüber hinaus ist sie fachlich hochgradig instabil, weil handhabbare Kriterien bislang nicht zu finden sind, zwischen Einsichtsfähigkeit und Nichteinsichtsfähigkeit zu unterscheiden und gleichzeitig die Unsicherheiten und Grauzonen auszuschließen und eine einheitliche Praxis zu
    gewährleisten.

Die Stellungnahme als PDF-Datei herunterladen.

Da bisher weder beim Rechtsausschuss noch beim Plenum des Bundestages Tagesordnungspunkte bekannt geworden sind, in denen der Gesetzentwurf Drs. 17/11513 erörtert bzw. abgestimmt werden soll, wird sich aller Voraussicht nach das Verfahren weiter ins nächste Jahr ziehen, so dass zumindest bis zum Ende dieses Jahres noch Zeit ist, die Mitglieder des Rechts-, Gesundheits– und Familienausschusses, sowie alle anderen Abgeordneten des Bundestages auf die bisher mit diesem Gesetzentwurf geplante Missachtung, ja Verhöhnung der Menschenrechte hinzuweisen.

Sie alle müssen sich mit der Stellungnahme der Monitoringstelle beschäftigen und dürfen sich vor Antworten nicht wegducken. Deshalb unsere Bitte an alle:

Bitte lesen Sie unbedingt die Stellungnahme und verbreiten sie sie in eigenen Email-Verteilern, in Foren, Blogs und Newsgroups!

Senden Sie den Abgeordneten des Bundestages diese Stellungnahme und fordern Sie sie auf, dazu Stellung zu beziehen! Lassen Sie nicht locker, bis Sie eine überzeugende Antwort erhalten haben!