Ex-BGH-Richter: Bundestag regelmäßig bloße „Abnickmaschine“
Wolfgang Nešković, bis zu seiner Wahl zum Abgeordneten im Bundestag Richter am Bundesgerichtshof, hat heute die folgende Presseerklärung veröffentlicht. Er nimmt Stellung zum erst gestern als Drucksache 17/11513 bekannt gewordenen Gesetzentwurf der CDU/FDP-Fraktionen:
“Der Deutsche Bundestag erweist sich regelmäßig als bloße „Abnickmaschine“. Selbst Gesetzentwürfe, die schwerste Grundrechtseingriffe enthalten, werden vom Parlament einfach abgenickt, ohne dass die Abgeordneten sich die Gelegenheit einräumen, sich mit der entsprechenden Materie angemessen sorgfältig auseinanderzusetzen“, erklärt Wolfgang Nešković, Justiziar und Vorstandsmitglied der Fraktion DIE LINKE anlässlich der für morgen vorgesehenen ersten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme.
Nešković weiter: „Morgen wird ein Gesetzentwurf zur medizinischen Zwangsbehandlung von psychisch kranken Menschen im Windschatten der laufenden Haushaltswoche in den Bundestag eingebracht. Dieser Gesetzentwurf soll bereits in der nächsten Woche ohne den notwendigen Dialog mit den Betroffenenverbänden und ohne Sachverständigenanhörung abgeschlossen werden.
In der Bundesrepublik Deutschland wurden über Jahrzehnte Menschen ohne eine geeignete Rechtsgrundlage medizinisch zwangsbehandelt. Der nunmehr vorliegende Gesetzentwurf zur Schaffung einer solchen Rechtsgrundlage enthält erhebliche Schwachpunkte und lässt zahlreiche rechtlich und tatsächlich hochkomplexe Fragen offen. Näherer Diskussion bedürften insbesondere folgende Punkte: Braucht es aus medizinischer Sicht überhaupt die Möglichkeit, Menschen zwangszubehandeln? (Dafür gibt es in der Bundesrepublik keine Belege und Studien aus den USA legen das Gegenteil nahe.) Ist aus rechtlicher Sicht dieser Bereich durch das Patientenverfügungsgesetz nicht bereits abschließend geregelt? Sind ggf. die im Gesetzentwurf zahlreich verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe geeignet, den behandelnden Ärzten ausreichend klare Handlungsvorgaben zu geben? Ist es ggf. nicht zwingend erforderlich, eine Zwangsbehandlung von einem unabhängigen Sachverständigen (einem mit dem Patienten noch nicht befassten außerhalb der betroffenen Einrichtung tätigen Arzt) vornehmen zu lassen? (Der Gesetzentwurf enthält eine solche Vorgabe bislang nicht.)
All diese Punkte bedürften einer eingehenden parlamentarischen Beratung und der Anhörung von medizinischen und menschenrechtlichen Sachverständigen sowie der Betroffenenverbände. Indem die Koalitionsfraktionen dies ablehnen, beweisen sie einmal mehr ihre bürger- und menschenrechtliche Verantwortungslosigkeit.“